Zwischen Führerschein und Giftgefahr: Ein Alltag in Berlin
er Tierschutzgesetz fühlt sich für mich manchmal wie das Sternzeichen Zwillinge an – zwei Gesichter, widersprüchlich und nicht immer leicht zu durchschauen. Während ich die Einführung des Hundeführerscheins als einen wichtigen Schritt begrüße, zeigt sich hier eine Seite des Tierschutzes, die oft vernachlässigt wird: Der Schutz unserer Hunde vor Fremdgefährdung. Denn während die Ausbildung und Prüfung der Halter im Vordergrund stehen, bleibt das Problem der Giftköder und Gefahren im Alltag ungelöst. Täglich warnen meine Feeds vor neuen Giftfunden in Berlin. Leberwurst mit Nägeln in Friedrichshain, präparierte Würstchen in Lichtenberg – der Hundespaziergang wird zum Spießrutenlauf. Selbst entspannte Runden durch den Park sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Stattdessen gehe ich wachsam neben Niko, prüfe jeden Schritt und jede Ecke, um ihn vor diesen versteckten Gefahren zu schützen. Der Gedanke, dass Giftköder nur als "Sachbeschädigung" geahndet werden, lässt mich fassungslos zurück.
Bevor Niko einzog, war mir die herausfordernde Realität von Berlins Straßen kaum bewusst: die ständigen Konflikte zwischen Hundehaltern und anderen Bürgern, strenge Leinenzwänge und die Gefahr durch ausgelegte Gifte. Schon nach wenigen Wochen als Hundehalter wurde aus dem ruhigen Stadtbummel ein Abenteuer, bei dem ich mich mit Nikos Spürsinn für allerlei Essensreste herumschlagen musste:
In den ersten Wochen war unser Hauptprojekt, Niko an das Berliner Stadtleben mit all seinen Geräuschen, Gerüchen und unbekannten Gesichtern zu gewöhnen. Die versteckten „Schätze“ auf der Straße waren dabei zunächst nebensächlich – bis sich das Blatt schlagartig wendete und ich plötzlich einen kleinen Staubsauger an der Leine hatte. Nichts blieb vor ihm sicher, selbst fremde Taschen auf der Auslaufwiese wurden mit großer Hingabe erkundet. Als waschechter Pudel weiß Niko genau, wie man Fressbares aufspürt und diskret „sichert“: Entweder verschwand die Beute heimlich unter der Zunge, oder er bummelte unterwegs so lange, bis er die Entdeckung vom Hinweg wieder einsammeln konnte. Die Straßen Berlins sind eben eine wahre Fundgrube: von Pizza und Pommes über Brot bis hin zu einfachem Hausmüll. Dass die Stadt ein Rattenproblem hat, überrascht mich kein bisschen.
So manch eine Abendrunde trieb meine Nerven an die Grenze. Ich spielte ernsthaft mit dem Gedanken, mir eine Taschenlampe zuzulegen oder Niko einen Maulkorb anzulegen. Doch letztlich waren beide Ideen schnell vom Tisch.
Heute stehen Training und Vorbeugung für uns an erster Stelle. Ein Notfallset mit Kohletabletten und Vitamin K ist immer griffbereit – eine unschöne, aber leider notwendige Vorsichtsmaßnahme. Es ist nicht mehr nur ein „Training“, sondern eine Lebensversicherung, die wir zusammen meistern müssen.
Ich bin froh, dass zukünftige Hundemenschen durch den Hundeführerschein besser vorbereitet werden sollen. Doch das ist nur ein erster Schritt. Unser Ziel muss es sein, Tieren in der Gesellschaft den Status zu geben, den sie verdienen – als Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen und Rechten, und nicht nur als rechtlich „geschützte Sachen“. Nur so kann eine echte, umfassende Verbesserung im Tierschutz erreicht werden.