Als ich neulich den Pudel bei den Waldhunden abholte, verstand ich die Welt nicht mehr. Es wurde gefiept, gezogen und gezerrt. Dass Niko seine Katrin sehr lieb hat und sich außerordentlich wohl bei ihr fühlt, weiß ich ja und ist natürlich auch irgendwie beruhigend, ihn tagsüber in guten und liebevollen Händen zu wissen. Aber was in diesem Moment ablief, sprengte meine bisherige Vorstellungskraft. Denn nur widerwillig ließ er sich nach Hause schleppen.
Am nächsten Morgen nichts neues:
Keine Beachtung, lustloses Rumliegen und Beschwichtigungsschnaufer. Und natürlich möglichst großen Abstand halten.
Solche Theatralik spielt sich eigentlich immer nur ab, wenn gewisse Vorhaben im Raum schweben. Ganz weit oben: Ohrenpflege und Fell nachschneiden. Alles notwendig, damit der kleine Kerl gesund bleibt, aber das interessiert ihn nicht. Der Pudel is not amused und lässt mich das deutlich spüren. Aber dieses Mal war alles anders. Sogar meinen Kollegen im Büro fiel auf, dass sich der Feel Good Manager ganz anders anfühlte. Ein Alarmsignal!
Wer uns kennt, weiß, wie schnell ich mir Sorgen mache, ihn mit Argusaugen beobachte und in Gedanken alle eventuellen Krankheitssymptome durchgehe. Auch nach fast 2 Tagen keine wirkliche Veränderung. Kein Schmusen, sondern Distanz. Meine Geduld wurde langsam aber sicher strapaziert.
Ein Anruf bei seiner Hundesitterin brachte dann endlich Licht ins Dunkel: Der Pudel war verliebt.
Als Charmeur vom Dienst ist Niko grundsätzlich jedem Zwei- und Vierbeiner sehr positiv aufgeschlossen und verschenkt so manches Mal sein kleines Pudelherz. Bisher auch mit wenig Dramatik. Die Liste seiner Bekanntschaften und 5-Minuten-Affairen ist lang: Angefangen bei Frau Lottmann, seiner allerersten Freundin in Berlin, danach kamen Nadja, Debbie, Mansa, Heidi und die schöne Sumiko. Doch auch unter den kleinen Fellfreunden scheint es die Eine oder den Einen zu geben. Nikos Ein und Alles hört auf den Namen Mika und ist ein weißes Fellwusel. Er hat sie bei den Waldhunden kennengelernt. Sympathie auf den ersten Blick.
Doch aus der Freundschaft wurde schnell mehr – denn Mikas Läufigkeit und ihre Stehtage haben den Pudelhormonhaushalt anscheinend ordentlich durcheinander gewirbelt. Puhh. Das stumme „Leiden“ dauerte tatsächlich eine Woche. Sogar das obligatorische Trosteis mit seiner Lieblingssorte Rind half nur für kurze Zeit.
Was mir tatsächlich bis dahin nicht klar war: Nicht nur der direkte Kontakt mit einer Hundedame verdreht Rüden den Kopf. Allein das Schnuppern an einer Duftmarke kann einen wahren Hormonrausch inklusive Gefühlsachterbahn auslösen. Je nach Windverhältnis wittern die Casanovas sogar kilometerweit, wenn eine Hündin läufig ist. Wie sich Verliebtheit äußert, hängt natürlich auch stark von jeweiligen Persönlichkeit des Fellfreunds ab. Kommt der eine mit der Situation besser klar, gibt es Rüden, die richtig leiden. Unruhiges hin und herlaufen in der Wohnung, kombiniert mit Jaulen, Hecheln und Fiepen oder Futterverweigerung sind weit verbreitet. Glück im Unglück für mich: Niko schweigt sich eher aus. Anstatt lautstarkem Lamentieren und Leiden, ernte ich melancholische Blicke und Distanz. Doch was das Fressen angeht, kann der kleine Pudelmagen nicht widerstehen. Immerhin. Nach ein paar Tagen war der Spuk dann endlich vorbei und die Pudelpower zurück.
Mika ist „zum Glück“ kein regelmäßiger Gast bei den Waldhunden. Ich freue mich zwar, dass er eine tolle Spielpartnerin in ihr gefunden hat. Trotzdem ist es jedes Mal ein russisches Roulette, wie die Stimmung des Pudels abends zu Hause ist.
Niko ist nicht kastriert. Als er zu mir kam, war er mit seinen sechs Monaten noch zu jung für eine solche weit tragende Entscheidung. Von verschiedene Seiten wurde mir geraten, ihn erst einmal zu beobachten und dann zu entscheiden. Denn nicht immer löst eine Kastration Probleme mit bestimmten Verhaltensweisen. Aber auch der Aspekt, dass sich während der Pubertät noch wichtige Synapsen im Gehirn bilden und der Hund quasi von seinem Wesen erwachsen wird, waren für mich entscheidend, ihm diese wichtigen Entwicklungen nicht zu verwehren. Denn durch die vermeintlich kleine OP wird massiv in seinen Hormonhaushalt eingegriffen. Und bisher lief auch alles ganz gut: Er ist ja sowieso ein sehr sanftmütiger Typ. Außerdem bin ich doppelt vorsichtig. In der Stadt ist er sowieso angeleint, allein schon wegen des Verkehrs und seiner leichten Ablenkbarkeit. Insbesondere während der „Saison“ verlegen wir unsere Spaziergänge meistens in eher ruhige Feld- und Waldgegenden. Treffen wir dort auf charmante Hundedamen, gab es bisher wenig bzw. keinen Stress. Niko ist zwar immer sehr interessiert, aber sobald jeder seines Weges geht, hat er die Dame auch schon wieder vergessen. Mika scheint also die einzige Dame zu sein, die sein Herz komplett erobert hat. Da sich beide aber nur selten sehen, ist dies für mich kein Grund (bisher), über eine Kastration nachzudenken. Ich hoffe, das bleibt so.