Zwei Herzen, ein Team: Wie Geduld und Zeit Hundebeziehungen stärken

Warum sollte es mit Fellnasen anders sein als in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen? Sich den Alltag mit einem pelzigen Kumpel zu teilen, steht den Ups’n Downs mit dem Lieblingsmenschen eigentlich in nichts nach: Schwärme von Schmetterlingen flattern beim ersten Blickkontakt durch den Bauch, der rosarote Himmel hängt in der Anfangszeit voller Geigen und gegenseitig wird sich das eine oder andere Malheur verziehen, auch wenn der schöne neue Teppich darunter leidet, die kuschelige Decke auf einmal voller Haare ist oder die Zeitung noch vor dem ersten Lesen in winzige Schnipsel zerfetzt den Wohnzimmerboden ziert. Ist ja auch alles halb so wild und wer kann schon dem in die Wiege gelegten Unschuldsblick widerstehen?!

Stellt sich langsam der gemeinsame Rhythmus ein, fängt die eigentliche Arbeit erst an. Und damit auch ein Rattenschwanz an Missverständnissen, Irritation und manchmal auch Streit. Ja, richtig – auch bei Niko und mir hängt der Haussegen ab und zu schief. Das fing schon an unserem ersten Tag an, als ich ihn in Ulm von der Tierschutz-Organisation abholte und übermüdet einen nicht sehr magenfreundlichen Filterkaffee im Zug bestellte. Völlig unverständlich für den Pudel, der sich neben mir sitzend, den Kaffeebecher unter die Pfote reißen wollte. Der bis jetzt ungeschlagener Höhepunkt: sein erster Haarschnitt und die damit mehrere Tage anhaltende Befindlichkeit des kleinen Herrn. Auch jetzt kommt immer mal wieder eine Revolte durch, wenn der Pudel denkt, er könne den Chefsessel übernehmen. Klammheimlich werden dann nämlich Meutereien und auf Pudel-Art versucht, diese subtil durchzusetzen.

Und was wäre eine Beziehung ohne kleine Eifersüchteleien, die das Feuer am Lodern halten: Nein, nicht vom Pudel – der teilt mich übrigens ganz gerne. Das Problem liegt hier eher bei bei mir. Auf der einen Seite freue ich mich über seine offene Art und wie neugierig er auf neue Menschen und Hunde zugeht. Bekannte, Freunde oder Kollegen werden schnell ins Pudelherz geschlossen mit festem Schmusekurs. Doch wenn ich Niko zum Beispiel aus der Hundetagesstätte abhole und ihn richtig nach Hause schleifen muss inklusive Fiepkonzert, wird meine Geduld jedes Mal auf eine harte Probe gestellt: Mache ich etwas falsch? Fühlt er sich bei mir nicht wohl? Was geben ihm andere, was er bei uns zu Hause nicht findet? – Gewisse Ähnlichkeiten mit menschlichen Beziehungen lassen sich hier wohl kaum leugnen.

Geduld, Geduld, Geduld

und natürlich an den eigenen Prinzipien festhalten. Tatsächlich gibt es hier einen großen Unterschied zu zwischenmenschlichen Konstellationen: Im „Rudel“ gibt es nämlich weder Demokratie noch Gleichberechtigung. Jeder Vierbeiner nimmt seine ganz persönliche Rolle ein und nur einer hat ganz klar das Sagen – der Rudelführer. Und übersetzt in die Hund-Mensch-Beziehung sollte diese Position immer der Zweibeiner einnehmen. Klingt vielleicht einfach, lässt sich aber in der Praxis nicht immer so leicht umsetzen. Knickt man zu schnell beim traurigen Welpenblick ein oder lässt sich geschickt um die Pfote wickeln, ist die Führungsrolle mit ziemlicher Sicherheit in Gefahr und der Hund übernimmt das Ruder. Hürde Nummer 2 – das können bestimmt Eltern an dieser Stelle sehr gut nachvollziehen: das eigene schlechte Gewissen. War ich zu streng oder zu nachgiebig? Die richtige Balance zwischen Bestimmtheit und freundlichem, gelassenen Auftreten muss jeder für sich ganz persönlich finden. Ein genaue Anleitung gibt es hier nicht. Auch mir fällt es manchmal schwer, die Ruhe zu bewahren und meine eigene Ungeduld außen vor zu lassen. Der Bumerang kommt dann meistens sehr schnell zurück, wenn Niko in der Situation unsicher wird und mich nicht einschätzen kann. 

Abgesehen dieser normalen Befindlichkeiten haben Niko und ich uns als Team aber sehr gut eingespielt. Dass er nicht zu den größten Schmusern seiner Zeit gehört, Bauchkrauler auch nicht immer genehm sind und ich mit Bitte auf Ruhe einfach weggeschnauft werde, ist für mich völlig akzeptabel. Schließlich ist der Pudel eine kleine Persönlichkeit mit eigenen Rechten und natürlich Vorlieben.

Unser Samstag verlief auch heute in den gewohnten Bahnen: Eine frühe Morgenrund, Frühstück und ein kleines Nickerchen, ein kurzer Bummel über den Markt mit dem ersten richtigen Highlight des Tages – der Einkauf beim Hundefleischer. Danach in den Lieblingsladen mit Kaffee für mich und Flirtereien beim Pudel.  Doch etwas war heute anders, eigentlich sind es nur Kleinigkeiten, die mir auffallen. Aber eben diese Gesten zeigen mir, dass sich die Bindung und damit das Vertrauen zwischen Niko und mir immer weiter vertieft.

Der Pudel macht es sich bequem: Tram fahren mit Niko

Angefangen hat alles mit unseren „Sommerferien“ – 24/7, ganze vier Wochen am Stück. Bei den Waldhunden waren die Tore nämlich für zwei Wochen geschlossen und oben drauf kam noch eine hartnäckigere Augenlid-Entzündung bei Niko. Eine Zeit, die trotz der Umstände und lästiger Augensalbe unserer Beziehung mehr als gut getan hat. Mittlerweile ist er vom Gefühl viel mehr bei mir und auch wesentlich aufmerksamer, wenn wir unterwegs ist. Ist ihm zum Beispiel die Hektik in den Öffis zu stressig, sucht er ganz selbstverständlich seinen sicheren Platz zwischen meinen Beinen oder hinter mir. Neulich in der Tram legte Niko ganz plötzlich auch seinen Kopf auf mein Bein und machte es sich bequem. Diese neue Nähe gefällt mir außerordentlich gut und zeigt ganz deutlich, wieviel Geduld und Zeit das Zusammenwachsen braucht. Geht das bei manchen Pärchen schneller, brauchen andere wiederum etwas mehr Zeit. Besonders dann, wenn der Vierbeiner schon ein kleines Päckchen zu tragen hat. Nach schlechten Erfahrungen oder traumatischen Verlusten tun sich auch Hunde schwer, Vertrauen zu fassen, Nähe zuzulassen und sich richtig zu binden. Kommt uns bekannt vor, oder?

Auf Tuchfühlung

Auf Tuchfühlung

Lasst Euch also Zeit und genug Freiraum, um Euch gegenseitig kennenzulernen. Die Geduld lohnt sich auf jeden Fall. Versprochen!