Von Pizza bis Rattengift: Das Anti-Giftköder-Training im Alltag

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as Leben eines Stadtschnüfflers ist ganz schön aufregend. Viele Reize, ständig etwas los und immer ein bisschen Trubel. Doch nicht alles ist nur heiter Sonnenschein. Und damit meine ich nicht die üblichen Autos oder Radfahrer, sondern die unzähligen Giftköder, die jeden Spaziergang zur Zitterpartie machen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht vor Vergiftungen oder neuen Fundstücken in den sozialen Netzwerken gewarnt wird. Mein Kiez ist für Fellnasen ein wahres Schlaraffenland. Street Food ist hier nicht nur für uns ein Thema, sondern auch für die Vierbeiner in seiner urbanen, to-go-Variante. Pizza, Döner, Burger, Brötchen, und auch der ein oder andere spannende Müllhaufen – alles, was das Pudelmagenherz begehrt, gibt es hier im Überfluss und kostenlos. Wie viel Niko davon schon abgegriffen hat? Keine Ahnung, die Dunkelziffer ist sicher hoch. Bestimmte Ecken meide ich mittlerweile und beobachte die Pudelnase mit Argusaugen, denn der Pudel ist ein Meister im Ausbrechen und versucht, mich immer wieder auszutricksen. Eine Zeit lang hatte ich den Straßenkampf gut im Griff. Doch aktuell ist der Staubsauger-Modus wieder voll aktiviert und seine Nase klebt förmlich am Boden. Tagsüber ist es schon schwer genug, ihn im Blick zu behalten – Niko verschlingt seine Funde in Windeseile. Und mit der frühen Dämmerung wird die Herausforderung noch größer. Das entspannte Schnüffeln in Büschen oder Wiesen ist jetzt tabu für den Pudel. Vor ein paar Monaten musste ich über die Gassigänger mit ihren Taschenlampen schmunzeln, doch mittlerweile kann ich sie gut verstehen. Den Griff zur Taschenlampe vermeide ich trotzdem noch. Da kam das Angebot zum Anti-Giftköder-Training über den Giftköderalarm Berlin genau richtig.

Spontane Taschenkontrolle: Wurstbrot, Käse oder Semmeln? Die Spürnase wittert Leckereien

Mit großen Erwartungen starteten wir ins dreistündige Training. Und schon gleich wurde mir wieder deutlich, wie schnell die Pudelnase in Versuchung zu führen ist. Schnüffelalarm an fremden Taschen – vor Niko bleibt einfach nichts unentdeckt. Während er sich zu Hause noch einigermaßen zusammenreißt, wird im Büro oder anderswo vor nichts Halt gemacht: Keine Taschen, keine Tische, keine Papierkörbe. Zwei Brötchen meiner Kollegin hat er bereits auf dem Gewissen – und das ohne jegliches schlechte Gewissen. Warum sollte es also draußen auf der Straße, in Parks oder Wiesen anders sein?

Niko ist übrigens kein Einzelfall. Keine Fellnase kann verlockendem Street Food widerstehen, sei es Hackbällchen, Fleischstücke oder belegte Brötchen. Leider werden auch die Kreativität und Bosheit der Hundehasser immer raffinierter. Neben Rattengiften und Ködern, die mit Rasierklingen, Schrauben oder Nägeln gespickt sind, kommen mittlerweile auch Säuren zum Einsatz. Also Vorsicht, wenn vermeintlich harmlos aussehende Essensreste auf dem Boden liegen – hier könnten Hundehasser am Werk gewesen sein!

Wie weit die Sorge um den eigenen Liebling gehen kann, erzählte uns die Trainerin gleich zu Beginn: Vor Jahren hatte sie selbst einen Staubsauger deluxe zu Hause. Nichts blieb von „Miele“ – ihrem liebevoll so genannten kleinen Fressmonster – unentdeckt. So sehr, dass sie sich alle halbe Stunde den Wecker stellte, um das Zahnfleisch und die Vitalfunktionen ihres Vierbeiners zu checken. Wahnsinn! Ganz so schlimm ist es bei uns noch nicht, aber wie immer gilt: Vorbeugen ist besser als nachsorgen.

Trotz der frühwinterlichen Temperaturen machten wir uns also am Sonntag auf den Weg. Die bunt gemischte Gruppe fand der kleine Lockenkerl natürlich sofort spannend – Konzentration Fehlanzeige. Mein Plan, ihn vor dem Training richtig auszupowern, ging leider nicht auf. Kaum angekommen, war das ganze Drumherum viel interessanter, als entspannt zu warten und auf die Trainingseinheiten zu fokussieren.

Erstes großes Learning: Das Gehirn schaltet ab!

Sobald der Hund einen Leckerbissen erspäht oder erschnüffelt, schaltet das Gehirn automatisch ab. Denn Hunde können tatsächlich nur einen Sinn gleichzeitig voll ausnutzen – alles andere wird dabei einfach ausgeblendet. Das erklärt einiges! Das Ziel des Anti-Giftköder-Trainings ist es, Niko beizubringen, vermeintliche Leckerbissen uninteressant zu finden und einfach liegen zu lassen. Im ersten Moment klingt das für mich noch etwas utopisch, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Zweites großes Learning: Die Vorbeugung beginnt schon zu Hause!

Die kleinen Spürnasen brauchen Beschäftigung – sei es durch Schnüffeln, Kauen oder andere Aktivitäten. Wie wichtig die richtige Auslastung ist, zeigt sich nicht nur an der Frustration oder Ausgeglichenheit des Vierbeiners, sondern auch an seinem triebigen Hungergefühl während der Spaziergänge. Ein bisschen Abwechslung im Futternapf kann die Lust auf Essensreste unterwegs deutlich verringern. Niko wird nun schon seit fast einem Jahr gebarft und verschmäht fast nichts. Für mich ist es relativ einfach, ein wenig Variation in seine Mahlzeiten zu bringen: Ich tausche regelmäßig die Fleischsorten (mal Wild, mal Fisch, Rind oder Geflügel) und passe die Toppings aus Obst und Gemüse je nach Saison an. Ab und zu gibt es auch mal einen ganzen Fisch, ein Stück Schulter oder einen Markknochen obendrauf.

Evergreen: Jedes Training erfordert Zeit und beginnt mit kleinen Schritten!

Nikos Karriere als Straßenreinigungsexperte startete schon knapp zwei Wochen nach seinem Einzug. Wer die Möglichkeit hat, sollte im Welpenalter mit dem Training beginnen – denn in diesem Alter haben die Kleinen noch wenig Erfahrung mit Straßenleckereien, weder gute noch schlechte. Leider habe ich diesen Zeitpunkt verpasst und muss nun alles nachholen. Das Training ist jedoch für Hunde jeden Alters geeignet – wenn nicht sogar lebensnotwendig. Je nach Persönlichkeit des Hundes und der Konsequenz im Training können sich Erfolge schnell oder erst nach einigen Runden einstellen. Wie immer heißt es: Durchhaltevermögen und Geduld. Unser erstes Training war auf drei Stunden angesetzt, doch danach ist noch lange nicht Schluss. Um das Gelernte zu festigen, müssen die Übungen in den folgenden drei Tagen mindestens dreimal wiederholt werden.

Training | Lektion 1: Die Beute loslassen

Zunächst muss herausgefunden werden, in welche Kategorie die Spürnase des Hundes gehört. Dafür wird ein Leckerbissen auf dem Boden platziert, und wir beobachten, wie schnell und auf welche Weise der Hund versucht, sich die Beute zu schnappen. Manche Hunde sind sehr forsch und schieben mit Pfote und Schnauze alles beiseite, andere sind sanfter und geben schneller auf. Niko gehört zwar nicht zu den extrem Hartnäckigen, dafür ist er ein wahrer Schlinger – in Nullkommanichts wird alles eingeheimst und verschluckt. Deshalb ist bei ihm im Training vor allem Aufmerksamkeit und eine schnelle Reaktion gefragt. Ich habe daher früh begonnen, mit ihm das Kommando „Aus“ zu üben und bin konsequent, ihm unerwünschte Beute schnell aus dem Maul zu nehmen. Mittlerweile lässt er seine Fundstücke lieber selbst fallen, bevor ich eingreifen muss.

Training | Lektion 2: Kein Fressen vom Boden

Ob Hund, Katze oder Mensch – Lernen macht nur Spaß, wenn es zwischendurch kleine Erfolge gibt. Auch unsere Hunde bleiben motivierter, wenn das, was sie gerade lernen, schnell eine positive Wirkung zeigt. Im Anti-Giftköder-Training funktioniert das so: Setzt euch vor euren Hund und haltet jeweils in den Händen ein langweiliges und ein besonders tolles Leckerli. Den langweiligen Snack bietet ihr eurem Hund auf der flachen Hand an. Sobald er zugreifen will, unterbindet ihr das mit einem klaren Kommando wie „Nein“ oder „Aus“ und schließt gleichzeitig die Hand. (Kleiner Tipp: Wählt für das Kommando möglichst neutrale, unbesetzte Wörter.) Wenn der Hund sitzen bleibt und nicht an das Leckerli geht, bekommt er in Windeseile (innerhalb von einer halben Sekunde) seine Belohnung. Als echter Blitzmerker hat Niko das relativ schnell verstanden. Immer wieder üben wir das Ganze beim Spaziergang, im Büro oder auch abends beim Fernsehen. Draußen, wenn er etwas entdeckt hat, versuche ich, ihn mit den Kommandos zum Fallenlassen zu animieren und stelle sofort meinen Fuß darauf. So wird die Beute für ihn tabu, und er dreht sich ab.

Und was ihr nicht vergessen dürft: immer wieder loben, loben, loben!

Vergiftung: Ja? Nein?

Vergiftungserscheinungen können ganz unterschiedlich ausfallen und zeigen sich von Tier zu Tier auf verschiedene Weise. Besonders häufig sind unspezifische Symptome wie Taumeln, Atemnot oder Apathie. Aber auch Lähmungen, Unruhe, blasse, blaue oder hellrote Schleimhäute sowie Krämpfe und Schaum vor dem Maul können auftreten.

Falls ihr gerade unterwegs seid und unsicher, ob bestimmte Pflanzen oder Pilze giftig sind, kann ein Anruf bei der Giftzentrale Berlin (030 / 1 92 40, rund um die Uhr erreichbar) durchaus hilfreich sein. Alternativ könnt ihr auch auf der Webseite www.giftnotruf.de nachsehen. Falls noch Reste des verdächtigen Stoffes vorhanden sind, nehmt auf jeden Fall Proben mit zum Tierarzt. Innerhalb von 30 Minuten nach Aufnahme lässt sich noch Erbrechen auslösen, da die Absorption der Giftstoffe zu diesem Zeitpunkt noch nicht stattgefunden hat. Tierkohle sollte immer ein fester Bestandteil eurer Spaziergangstasche sein. Sie hilft, die Giftstoffe zu binden und verschafft wertvolle Zeit, um schnell zu handeln.

Generell hängen die Symptome vom aufgenommenen Giftstoff ab. Schokolade, Trauben oder Säuren wirken anders als Nägel oder Schrauben und erfordern daher auch eine spezifische Notfallbehandlung.

↘︎ Ist ein Kurs sinnvoll?

Müll, ausgelegtes Rattengift in Städten, Schneckenkorn in Vorgärten und natürlich Hundehasser – das sind starke Gründe, seine Fellnase darauf zu trainieren, nichts vom Boden aufzunehmen. Ob ein Kurs die beste Lösung ist, muss jeder für sich entscheiden. Das Angebot an Trainingsmaterialien ist dank der Vielfalt an Medien riesig – von Youtube-Channels über DVDs bis hin zu Büchern. Es kommt natürlich auch darauf an, wie viel Vorwissen bereits vorhanden ist. Kleine Übungen sind schnell erlernt, während größere Trainingsphasen mehr Zeit und Geduld erfordern. Wer tiefer einsteigen möchte oder bisher erfolglos selbst geübt hat, sollte sich auf jeden Fall professionelle Hilfe holen. Ein erfahrener Trainer kann den Hund aus einem neuen Blickwinkel beurteilen und das Training gezielt anpassen.

Unser Trainingserfolg ist bisher eher durchwachsen. Im Kurs und auch zu Hause ist der Pudel ziemlich clever und lernt schnell. Aber gegen angeknabberte Burger- oder Dönerreste komme ich immer noch nicht an. Erst gestern hat der gewiefte Kerl einen kurzen Moment am U-Bahnschalter genutzt, um sich blitzschnell ein Bissen zu schnappen. Also starten wir wieder von vorne!