LebenDie Geduldsprobe: Allein-Zuhaus‘-Training

Die Geduldsprobe: Allein-Zuhaus‘-Training

Es ist Dienstag Nachmittag, gleich kommt unsere Hundetrainerin zum dritten Mal zu uns nach Hause und ich bin tatsächlich ein bisschen aufgeregt. Nach einem Bilderbuch-Start und einem dicken Lob von der Trainerin werden wir heute die Messlatte leider nicht halten: Aufgrund der Hitze konnte ich Niko tagsüber nicht optimal auslasten und Homeoffice bedeutet auch, dass ich tatsächlich zu Hause auch arbeite und Niko der Zeitvertreib mit seinem vierbeinigen Kumpel Polly und den anderen Kollegen fehlt.

Knapp drei Wochen haben wir fast jeden Tag trainiert, seine Alarmreize – das Öffnen und Zuziehen der Wohnungstür als eindeutiges Zeichen, dass ich gehe – abzubauen. Großes Ziel der Übung: Niko sollte irgendwann so entspannt damit umgehen, dass er sich einfach ablegt, schläft und sich regeneriert. Die Trainerin hatte mich allerdings beim letzten Mal schon vorgewarnt, dass diese Übung ziemlich an die Substanz gehen wird. Doch wie sehr sich meine Geduld auf die Zerreißprobe stellt, wird sich einige Stunden später am Abend ziemlich eindeutig zeigen. Aber alles der Reihe nach:

„Niko wurde viel zu oft allein gelassen, obwohl er es noch nicht konnte.“

Schon bei der ersten Übung bestätigte sich meine Erwartung: Kaum hatte ich die Wohnung vermeintlich verlassen, stand Niko wie eine Eins direkt hinter der Wohnzimmertür. Ein Bild, dass ich aus den letzten Wochen des Trainings schon kannte. Kaum betrete ich die Wohnung, sehe ich seinen Schatten hinter der Wohnzimmertür. Sichtlich ertappt weiß er sofort, was ich von ihm möchte und er bewegt sich beim Öffnen der Tür  von fast ganz allein in Richtung Körbchen. Leider der Status quo unseres Trainings, den ich nicht überwunden habe.

Fast zwei Stunden haben wir an diesem Nachmittag gemeinsam mit der Trainerin gearbeitet. Die Resultate waren – für mich – eher minimal spürbar und ein bisschen ernüchternd. „Niko wurde viel zu oft allein gelassen, obwohl er es noch nicht konnte. Das dauert ein Weile, bis sich dieses Muster überschrieben hat,“ erklärte mir die Trainerin nachdrücklich. Zeichen, die ich damals übersehen und die Situation damit völlig falsch eingeschätzt hatte. Über die Monate hat sich für Niko ein Kontrollverlust entwickelt. Er verfolgt mich zwar nicht auf Schritt und Tritt, ist aber sichtlich unentspannt, wenn ich für ihn nicht greifbar bin. Ein Umstand, der sich immer weiter entwickelt, wenn man diese Signale ignoriert. Ergo ist der Handlungsbedarf für uns jetzt natürlich relativ hoch und für mich zusätzlicher Ansporn, wenn mich der innere Schweinehund wieder versucht, auf die Couch zu bannen.

Also zwei Stunden Training, eine Toberunde mit der jungen Hündin der Trainerin, eine Gassirunde und leckeren Abendsnack später habe ich mich noch einmal aufgerafft, um die Gunst der Stunde der nutzen und mit Niko zu trainieren. Nach den ganzen Lerneinheiten musste er doch so müde sein, dass er irgendwann aufgibt und sich entspannt ablegt. NEIN!

Ich habe die Rechnung ohne den Pudel gemacht

Nochmal motiviert und mit den Tipps der Trainerin im Kopf zog ich mich also wieder ganz obligatorisch an, schickte Niko auf seinen Platz, machte die Wohnzimmertür zu, Wohnungstür auf und von außen wieder zu. So wie immer – surprise, surprise – stand Niko wieder wie gewohnt wartend hinter der Wohnzimmertür. (Das kann ich so leicht beobachten, da die Türen Glasscheiben haben.) Also wieder von vorn …. Nach dem zweiten und dritten Durchlauf legte sich Niko irgendwo ab und beobachtete wie eine Buddha-Statue die Tür. Auch nach einer Stunde saß er immer noch so da, fixierte die Tür und wurde einfach nicht müde. Eine weitere halbe Stunde später immernoch das gleiche Bild.

Meine Laune sank kontinuierlich und mit ihr auch langsam meine Geduld. Ratlos schrieb ich der Trainerin eine SMS: Machte ich irgendwas falsch? Sind die Erwartungen doch zu hoch? Warum tut er das? Wie lange muss ich diese Trainingseinheit an dem Abend noch durchziehen? Gibt es überhaupt Hoffnung? Ich schaute ständig auf mein Telefon, denn mittlerweile war meine Verzweiflung wirklich groß. Ich konnte einfach nicht mehr.

Ein Traum oder unser großes Ziel: Ein entspannt schlafender Niko

Die Realität: Er kann nicht abschalten und muss mich immer Blick haben

Was ich bereits wusste – ich muss noch konsequenter und souveräner werden

Niko ganz bewusst Grenzen zu setzen und diese auch konsequent einzuhalten, ist einfacher gesagt, als getan. Der kleine Charmeur weiß einfach zu genau, wie er sein Gegenüber, insbesondere mich, galant um die Pfote wickelt. Was mir auf unseren Spaziergängen oder im Büro relativ leicht gelingt, lasse ich aber umso mehr zu Hause schleifen. Und genau da fängt der Rattenschwanz an!

Ich bin fest davon überzeugt, dass meine neuen Nachbarn mittlerweile davon überzeugt sind, dass ich an einer Zwangsstörung leide. Denn ansonsten kann man sich wohl meinen alltäglichen Aufzug an meiner Wohnungstür nicht erklären. Tür auf – Tür zu – und das ’ne Stunde lang. Am Anfang habe ich darüber noch geschmunzelt, aber je länger ich trainiere und keine wirklichen Fortschritte sehe, ist mir der Gedanke daran schon ein bisschen unangenehm.

Und tatsächlich hat mich eben dieser Nachbar ein paar Tage später angesprochen, als ich nachmittags am Wochenende trainiert habe. Meine Türgeräusche haben ihn um 16.00 Uhr aus dem Schlaf gerissen und er würde sich seit Tagen fragen, was ich eigentlich mache. Also erklärte ich ihm in meinem besten Englisch, wieso, weshalb, warum. Seinen skeptischen Blick konnte ich damit nicht entgegnen. Nicht-Hundemenschen tun sich meistens schwer, zu verstehen, warum ein kontinuierliches Training wichtig ist. Als ich nämlich auf seine Nachfrage meinte, dass ich mit knapp sechs Monaten Training rechne, fiel ihm erstmal die Kinnlade runter.

Jetzt ist meine Wohnungstür frisch geölt und ich übe nur noch zu vereinbarten Zeiten. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt, denn nun muss sich Niko ja auf neue Türgeräusche bzw. auf nicht vorhandene einstellen. Aber trotz dieser Ups und Down, die immer wieder an meinen Nerven zerren, bleibe ich am Ball. Denn eine Alternative gibt es nicht und letztlich kommt das – hoffentliche – Ergebnis ja allen zu Gute: Niko kann entspannen, ich kann meinen Alltag regeln, ohne ihn zu stressen und mein Nachbar kann endlich wieder ein Auge zu tun 😉

2 Comments

  • Liebe Inga, Ich habe diese Art des Trainings auch hinter mir. Leider hat es nicht gefruchtet. Unser Bobby ist als Labradoodle auch zu 3/4 Pudel. Und man sagt dieser Rasse ja nach, dass sie recht schlau sind. Als ich aufgehört habe, Bobby ständig "zu verarschen" und rauszugehen, obwohl ich gar nicht weggehen wollte, hat es plötzlich geklappt. Wenn ich wirklich weggehe (also nicht nur zur Mülltonne) sage ich ihm in einem ganz ruhigen Ton: "Du bleibst da. Pass gut auf. Ich bin bin bald wieder da". Er darf mit zur Haustür kommen, wenn er möchte. (Ganz ehrlich, wieso sollte ein einigermaßen neugieriger Hund unbeteiligt im Körbchen liegen, wenn man das Haus verlässt?) Seitdem ich das so mache, hat er nie wieder gebellt oder gejault als wir ihn alleine gelassen haben. Mittlerweile steht er gar nicht mehr auf, wenn ich ihm meine "Abschiedsworte" sage. Nico und dir alles Gute und liebe Grüße von Andrea

    • Liebe Andrea, momentan liegt meine Trainerin im Krankenhaus und ich trainiere mit ihm erstmal die Basis-Übung weiter. Eigentlich klappt es schon ganz gut, aber trotzdem könnte es mit der echten Entspannung noch wesentlich besser klappen. In den nächsten Tagen will ich auch mal wieder die Kamera einsetzen, um zu schauen, wie er sich verhält, wenn ich draußen vor der Tür stehe. Ich bin sehr gespannt und hoffe, dass wir da unseren Rhythmus finden. Lieber Gruß, Inga

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