Gassi im 2 Meter-Takt
Autor, Leseratte und Netzwerk-Champion – anscheinend haben Niko und ich doch so einige gemeinsame Vorlieben. Wieso, weshalb, warum? Auf unserem Weg ins Büro wurde heute morgen ganze 57 Mal das Beinchen gehoben, akrobatische Fast-Pfotenstände gemacht, sich dreimal im Kreis gedreht oder ganz faul im Laufen der beste Platz für die ganz eigene Marke gesetzt.
Mal schnell um die Ecke oder einmal rund um den Platz sind nämlich nicht so unser Ding. Um alle, wirklich alle Geschäfte zu erledigen, nimmt sich Niko ordentlich Zeit. Hier mal schnüffeln, kurz ansetzen, dann wieder nicht und weiter geht’s – aber meistens nur bis zum nächsten Baum, Müllhaufen oder nächsten Säule. Ein Plätzchen für ein Pfützchen ist ihm nämlich nicht genug und so stromern wir durch die Parks, Straßen und Wiesen in unserem Kiez. Ich kann es tatsächlich an einer Hand abzählen, wie oft der Pudel in den letzten anderthalb Jahren mal richtig laufen ließ. Wer jetzt denkt, dass er sich wenigstens bei Regen oder Kälte beeilt, der irrt sich gewaltig. Denn eine freie Stelle für die Duftmarke lässt sich immer finden.
Seine Pubertät und 200 Millionen Riechzellen machen es dem kleinen Freund nicht einfach verlockenden Düften und unzähligen Reizen zu widerstehen. Kein Wunder, dass er ziemlich oft das andere Ende seiner Leine vergisst, denn es gibt nur noch eine Mission: Duftmarken setzen. Ziemlich häufig werde ich deswegen auch belächelt – „Rüde halt und dann auch noch unkastriert“. Falsch! Auch das weibliche Pendant oder der kastrierte Artgenosse sind fleißig dabei, wenn es in deren Natur liegt.
Nun aber nochmal von vorn: Warum müssen Hunde eigentlich permanent markieren?
Anfangs dachte ich noch, ich hätte irgendetwas falsch gemacht und Niko nicht richtig beigebracht, sich zu lösen. Dabei ist das Markieren für die vierbeinigen Kumpel die normalste Sache der Welt und eine ganz uralte Tradition:
Visitenkarte mal anders
Im Alltag treffen wir uns, schütteln uns zur Begrüßung die Hände und stellen uns vor. Ganz einfache Regeln des höflichen Umgangs. Markieren ist die Übersetzung in die Hundesprache: Mit ihrer Duftmarke stellen sie sich anderen Artgenossen vor und erzählen, wer sie sind, welches Alter sie haben, ob sie gesund sind oder nicht und demonstrieren ganz klar, dass sie schon mal an dieser Stelle waren. Unter Wölfen diente das Markieren zur Abgrenzung des eigenen Reviers. Die Haushunde von heute nutzen sie eher als klassische Kommunikation. 😉
Facebook á la Hund
Mit Niko bin ich quasi fast im ganzen Stadtgebiet unterwegs. Wenn er sich also hier und da verewigt, hat es weniger damit zu tun, sein Revier zu kennzeichnen. Vielmehr geht es darum, anderen eine Botschaft zu hinterlassen und zu riechen, wer schon da war. Ganz ähnlich wie die zugetaggten stillen Örtchen in Clubs oder Sticker auf Laternenmasten. Am schönsten finde ich aber den Vergleich mit de Zeitung lesen oder noch moderner übersetzt: auf Facebook oder Instagram surfen. Ganz häufig fällt mir auch auf, dass Niko danach anfängt zu scharren und sich dabei im Kreis dreht. Anscheinend ist er also ein fleißiger Schlagzeilen-Redakteur, der mit der herumfliegenden Witterung seine Reichweite erhöht. Besonders selbstbewusste und dominante Hunde fühlen sich dazu berufen.
Was am längsten durchhält
Treffen Hunde aufeinander, ist nicht immer sofort klar, wer das sagen hat. Auch bei Hunden, die sich bereits kennen, lässt sich das Verhalten des Öfteren beobachten. Und weil nichts einfach ist – Ihr seht, ich habe mich ein wenig belesen – gibt es auch hier wieder Unterschiede: Um Dominanz geht es unter den Vierbeinern, wenn Imponiergehabe und Bürste im Spiel sind. Nach dem gegenseitigen Beschnuppern fällt meist der Startschuß des Markier-Marathons, der sich je nach Durchhaltevermögen der Teilnehmer in die Länge ziehen kann. Gibt der unterlegene Hund klein bei und markiert nicht mehr über, ist der Wettbewerb beendet. Während Niko zum Beispiel dann immer noch kleinlaut mit Pfoten scharrt und Sensationsnachrichten verbreitet, ist der souveränere Hund schon beim nächsten Baum.
Etwas ganz anderes lässt sich gut auf Hundeplätzen beobachten: A la „Bildet Banden“ findet sich ein kleines Rudel zusammen, gehen die Fellkumpel nacheinander an die gleiche Stelle und markieren. Nicht aus Dominanz, sondern um ihre Gruppenzugehörigkeit zu signalisieren.
Wenn die Damenwelt lockt
Der Frühling steht quasi wieder in den Startlöchern und die fellige Damenwelt lockt mit ihren Reizen. Rüden können dem Duft läufiger Hündinnen nur schwer, oder besser gesagt, gar nicht widerstehen. Niko kann sich teilweise richtig festschnüffeln und beginnt auch einzelne Grashalme oder Blätter abzulecken. Mit ihrer Marke gibt die Hündin ihm nämlich klar Bescheid, dass sie läufig ist oder wann es soweit ist. Die Natur ist eben ganz schön ausgebufft.
Doch ganz so einfach lässt sich doch nicht alles in Schubladen stecken:
Wundert Ihr Euch, warum Euer Hund plötzlich Spuren in der Wohnung hinterlässt? Das muss nicht automatisch etwas mit nachlassender Stubenreinheit zu tun haben. Natürlich kann es auch in erster Linie krankheitsbedingte Gründe haben, aber auch mangelndes Selbstbewusstsein motiviert unsichere Hunde zum Markieren im Zuhause. Der eigene Geruch verleiht ihnen nämlich eine gewisse Selbstsicherheit, die souveräne Vierbeiner nicht für sich brauchen. Allerdings darf das nicht mit wirklich schlechtem Benehmen verwechselt und auch nicht entschuldigt werden! Sind die Rangordnungen im Mensch-Hund-Team nicht ausreichend und gefestigt geklärt, müssen Tischbeine, Stühle, Couch und Wände gerne mal herhalten. Auf Dauer ist das nicht nur für die Möbel kein Zustand und der Vierbeiner muss lernen, dass nur der Rudelchef in den eigenen vier Wänden Zeitung lesen darf und sich alle interessanten Neuigkeiten für den Hund draußen abspielen.
Und dann gibt es da noch eine Sache, die mir wirklich ziemlich unangenehm ist und der Auslöser, warum ich mich mit dem Thema so beschäftigt habe: Seit neuestem, aber zum Glück nicht so häufig pinkelt Niko auf dem Hundeplatz einfach Menschen oder ihre Taschen an. Uns ist das vorher nur zweimal passiert und da war er auch noch recht jung. Damals schob ich es auf seinen jugendlichen Leichtsinn. Doch nun in der Pubertät muss das doch andere Gründe haben? Das letzte Mal ist es vor einer Woche auf unserer Mittagsrunde passiert. Ein Pärchen saß in der Sonne auf der Bank, die Tasche stand auf dem Boden. Als Niko ableinte, merkte ich schon, dass er die Beiden fixierte und dachte mir noch, dass er die Tasche von weitem vielleicht mit einem kleinen Hund verwechselt. Kaum war er befreit, ging es schnurstracks zur Bank und blitzschnell sauste an der Tasche das Beinchen in die Luft. Zum Glück hat die junge Frau schnell reagiert und ihn sofort weggeschoben. Mir war das mehr als peinlich und ich schob es auf sein Teenie-Gehabe, das an diesem Tag schon mehrmals zum Vorschein kam. Losgelassen hat mich die Geschichte trotzdem nicht und ich habe diverse Artikel dazu gelesen: So ganz unschuldig ist seine Pubertät nicht, allerdings ist dieses Verhalten auch als Unterordnungssignal zu verstehen und kommt vor allem bei jungen Rüden vor. Aha – das hätte ich nicht gedacht. Und jetzt komme ich wieder ins Spiel: Selbstvertrauen stärken und schlechtes Benehmen abgewöhnen stehen nun auf meiner To-Do-Liste. Sobald sich wieder so eine Situation anbahnt, heißt es für mich, (natürlich) sofort einzugreifen und ihn aus der Aktion durch Abllenkung herauszuholen und positiv zu verstärken. Klingt erstmal wieder kompliziert, ist aber im Grunde ganz einfach: Mit „Pfui“ ein klares Signal setzen und ihn dann mit einem kleinen Trick oder Befehl wie „Sitz“ oder „Platz“ zu einem Erfolgserlebnis führen, für das er gelobt wird. Und da wären wir wieder bei der Kraft des Lobens 😉