.192 Tage. Wow! Wie schnell ist bitte die Zeit vergangen? Heute vor sechs Jahren habe ich Niko am Bahnhof Ulm in Empfang genommen. Von der Ladefläche gesprungen, ein erstes zartes Schlecken und eine kurze Übergabe der Dokumente. Denn der Transporter hatte noch einige andere Anlaufstellen auf seiner Route. Und schon hat unser gemeinsames Abenteuer begonnen.
In der Ruhe liegt der Rat.
Die vergangenen 12 Monate waren für uns alle eine Herausforderung und ließen uns an der Distanz, Ungewissheit und den vielen Fragezeichen wachsen. Was sonst flutschte, hatte plötzlich Stoppersocken an. Aus der sonst selbstverständlichen Leichtigkeit wurde Unsicherheit und auch wir mussten so einige Pläne weit nach hinten schieben. Was wiederum neue Reaktionen hervorbrachte. Aber auch ein Jahr, dass mir viel wertvolle Zeit mit Niko bescherte und mich zu dem zurückbrachte, was wirklich wichtig ist. Und jetzt kann ich, wenn wieder etwas so ganz anders läuft als gedacht, es mit einem Lächeln nehmen und die Situationen so annehmen, wie sie kommen. Mein Gewinn: Mehr Zeit für gute Laune. Mehr Zeit für die großartigen Menschen, die mein Leben bereichern, mich auf neue Ideen bringen und die Entscheidungen, die getroffen werden mussten, einfacher machten. Doch was mir am meisten geholfen hat, ist dieser kleine Hund an meiner Seite und die Ruhe, die sich über uns legt, wenn wir gemeinsam unterwegs sind, und plötzlich sehr viel Raum schafft. Meist wird dieser durch (unnötigen) Stress vernebelt. Mit der Ruhe kommt die Klarheit. Mit der Klarheit kommen die besten Gedanken. Mit den besten Gedanken gewinnt man ganz viel Zeit und erkennt neue Perspektiven.
Der Alltag mit Hund wird immer einfacher und schöner.
Egal, ob das Jahr besonders großartige Momente bereit hielt oder eben ziemlich unstetig war, ich hatte eine Konstante, die mir jeden Tag aufs Neue zeigte, worauf es wirklich ankommt: mein Pudel. Jeden Morgen – ich kann tatsächlich die Uhr danach stellen – erbittet eine kleine Vorderpfote seinen Platz auf meinem Kissen. Jetzt wird noch ein bisschen gesnoozed, bevor es auf die erste Hunderunde geht. Ich liebe es, so gemütlich in den Tag zu starten. Für mich ist das auch eine sehr besondere Geste, denn Niko ist von seiner Natur aus kein Unter-die-Decke-Hund. Und während sich seine kleinen, wilden Locken langsam im Rhythmus seines Atems bewegen, ein leises Schnarchen zu hören ist, liege ich da und bin unendlich dankbar.
Niko ist nun schon sechs Jahre alt. Ein erwachsener Hund. Zu sehen, wie eingespielt wir sind, macht mir auf der einen Seite Sorge, dass die Zeit zu schnell vergeht und gleichzeitig genieße ich alles, was einfacher geworden ist. Wir müssen nicht alle paar Stunden raus und auch längere Zugfahrten werden ohne Pause gut weggesteckt. Das Stadtleben meistert Niko mit Bravour und lässt sich auch in hektischen Momenten nur schwer aus der Ruhe bringen. Wir gehen zusammen ins Freiluftkino oder zu Ausstellungen, fahren mit dem Fahrrad oder lassen uns am Meer Füße und Pfoten mit Salzwasser umspülen. Wir kennen uns nun einfach gut und können vertrauen. Die beste Voraussetzung für jedes kleine und große Abenteuer.
Sich kürzer ärgern lässt mehr Zeit für gute Laune
„Warum haben Sie denn einen Hund, wenn er keinen Kontakt haben darf?“, motzte mich die ältere Frau im Vorbeigehen an. Einige Meter zuvor machte ich ihr deutlich, dass ich keinen Leinenkontakt zwischen unseren Hunden möchte. Mein Wunsch kam irgendwie nicht bei ihr an, denn sie ließ ihre Flexileine lang und blieb stehen. Mit einem Hund draußen unterwegs zu sein, bedeutet nicht nur gemeinsame Zeit, sondern auch mit übergriffigen Kommentaren und konträren Meinungen umzugehen. Die Toleranz der Hundemenschen untereinander ist mitunter sehr fragil. Und auch bei mir wüten die Emotionen eine nicht unerhebliche Zeit. Immer und immer wieder kehren die Situationen zurück in meinem Kopf. Und manche bleiben einfach etwas länger. Eine Leichtigkeit war nicht mehr zu spüren. So konnte das nicht weitergehen! Also probierte ich verschiedene Atemtechniken aus. Stark: Mein Kopf klärt sich dabei auf, meine Gedanken und Gefühle, die vorher noch wie wild durch mich jagten, sortieren sich. Eine Ruhe erfüllt mich, die mich wiederum daran erinnert, wie sehr ich Ruhe liebe und brauche. Es geht nämlich nicht darum, was andere brauchen, sondern dass ich genügend Energie für alles habe, was mir wichtig ist.
Es geht nicht darum, alles zu können.
Es gab da einen Moment in meiner ehemaligen Agentur: Als ich Niko vorstellte, kam als erste Frage, welche Tricks er denn drauf hätte. Auf Instagram boomten gerade die Trick-Challenges – jeder Hund konnte irgendwas besonderes. Am Anfang fühlte ich mich davon unter Druck gesetzt. Klar – die Grundkommandos müssen klappen. Aber warum sollte Niko unbedingt auf meinen Füßen mitlaufen können oder sich tänzelnd im Kreis drehen. Ich bin mir sicher, dass gemeinsames Training und Rituale die Bindung zwischen Hund und Mensch durchaus stärken. Und ja, wir auch einiges probiert. Aber es fühlte sich für uns einfach nicht natürlich an.
Dafür haben wir uns einer anderen Baustelle sehr viel mehr gewidmet. Denn das allein zu Hause bleiben, fällt Niko nachwievor immer noch schwer. Wie ein zäher Kaugummi zieht sich die Reihe von verschiedenen Trainingsansätzen, Coachings zu Hause, Beschallung durch den Relaxodog und Playlisten mit entspannender Musik und eine Hundekamera. Es waren sehr anstrengende Monate.
Ist es nicht auch okay, wenn ich glücklich bin mit dem, was ich habe und finde eigene Wege, dies zu behalten? Muss denn immer alles total gut klappen oder reicht auch das kleine Feine, was wir schon erreicht haben?
Das Beste für sich herauspflücken.
Es ist wieder ein Sonntag Morgen. Die Sonne scheint und in einer knappen halben Stunde möchte ich eigentlich zu einem Spaziergang im Plänterwald aufbrechen. Neben mir steht ein verführerisch duftender Chai Latte und versucht mich, zu einer kleinen Pause auf dem Balkon zu verlocken. Niko schlummert im Halbschatten auf dem weichen Teppich. Doch statt entspannt diesen Morgen zu genießen, denke ich nur: ich muss. Ich muss dringend diesen neuen Post vorbereiten. Einige Mails warten noch eine Antwort und längst wollte ich mich doch um die geplanten Audioformate kümmern. Alles muss irgendwie laufen.
Moment mal – Selbstoptimierung heißt doch, Dinge langsamer und bewusster anzugehen. Ich verstehe aber auch, dass man sich einfach das Beste für sich selbst herauspflückt, um das Leben nach den eigenen Wünschen zu gestalten. Also dass uns das ständige Müssen und all das Neue nicht überfordert. Also schreibe ich schnell diesen Artikel zu Ende – denn er mir wirklich wichtig – und dann genießen Niko und ich die frische Waldluft und lassen uns durch den Sonntag treiben.
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Heute ist unser Jahrestag und werde mich immer an unsere ersten Momente erinnern. Wir sind gemeinsam gewachsen und erwachsen geworden. Wir sind verbunden mit einem engen Band. Ich freue mich auf alles, was auf uns wartet und weiß, es wird schön.