Mehrhundebüro – so funktioniert’s
Hunde im Büro sind eigentlich nichts Besonderes mehr. Denn immer mehr Unternehmen heißen die vierbeinigen Begleiter ihrer Teammitglieder willkommen. Dass sich sogar mehrere Hunde den Platz in den Büros teilen, ist gar nicht mehr so ungewöhnlich. Und auf einen regen Zuwachs dürfen sich Arbeitgebende einstellen, sobald wieder eine gewisse Normalität in den Alltag eingekehrt ist. Auch Niko darf sich auf einen neuen Hundekumpel in unserem Team freuen. Er ist zwar sehr menschenbezogen und freut sich über jedes einzelne Gesicht, wenn wir im Büro sind. Doch die gemeinsame Zeit mit Artgenossen ist das I-Tüpfelchen. Mit seinem neuen Kollegen ziehen aber auch ganz eigene Bedürfnisse mit bei uns ein. Denn Pudelmix Mayo hat mit seinen 15 Jahren schon ein stattliches Alter erreicht.
Es versteht sich von selbst, dass die anwesenden Bürohunde sowohl mit Menschen als auch mit ihren Artgenossen verträglich sein müssen, damit es mit dem Teaming klappt:
Ein völlig unerzogener Hund funktioniert im Büro nicht.
Das kleine Erziehungs-Einmaleins ist das Minimum für ein harmonisches Miteinander. Auch bei ängstlichen Vierbeinern. Reagiert zum Beispiel ein Hund aufgrund schlechter Erfahrungen ängstlich auf Männer, wirkt sich das auch auf das Team aus. Denn jede Person sollte sich im Büro frei bewegen können, ohne dass ein Hund mit Knurren oder Bellen anschlägt. Nicht nur, dass der Hund gestresst ist, sondern auch rechtlich kann es mitunter problematisch werden. Auch Niko empfindet manchmal bestimmte Situationen als komisch. In angespannter Haltung und gespitzten Ohren fängt er leise an zu knurren. Ich muss jederzeit in der Lage sein, ihn abzurufen und die Situation aufzulösen. Sozialisation ist ein gutes Stichwort und führt zu einem wichtigen Punkt, nämlich der guten Kinderstube eines jeden Hundes. Sie spielt eine ganz elementare Rolle, um den besten Freund des Menschen bürotauglich zu machen. Der Hund sollte in der Lage sein, den Alltag seines Menschen mitzugehen, ohne dabei verloren zugehen. Viele Reize, die verarbeitet werden müssen, können zu einer echten Herausforderung für unsere Hunde werden.
„Solange sich jedoch niemand gestört fühlt, können die Hunde eigentlich relativ viel machen. Aber der jeweilige Hundemensch sollte auf jeden Fall ein Gespür dafür haben und sensibilisiert sein, was okay ist und was nicht. In meiner Rolle als Geschäftsführer möchte nicht ich zu jedem hingehen müssen und sagen: Übrigens, was dein Hund da macht, ist nicht in Ordnung. Ich erwarte von den Leuten, dass sie es selbst merken, wo die Grenzen sind. Und bisher wurde ich auch nicht enttäuscht“, erzählt Michael Hetzinger, Geschäftsführer der Berliner Agentur Schröder+Schömbs im Gespräch für unser Buchprojekt „Mein Kollege mit der kalten Schnauze„.
Bisher hatte ich das Glück mit anderen Hundemenschen zusammenzuarbeiten. Es ist immer jemand da, der sich auskennt und in Situationen agieren kann. Bin ich etwa im Meeting und kann Niko nicht mitnehmen, gibt es jemanden im Team, der ein Auge auf ihn wirft und ihn abrufen kann. Dafür habe ich meinen Kopf frei und muss mir keine Gedanken machen. Es ist tatsächlich sogar so, dass im Laufe der Zeit nicht nur der eigene Hund hört, sondern auch die anderen Vierbeiner gut reagieren. Wir agieren als Team und übernehmen gegenseitig Verantwortung – ein schönes als auch praktisches Gemeinschaftsgefühl. So nehmen wir unsere Hunde zum Beispiel gegenseitig mit auf die Mittagsrunde oder passen auf sie auf, falls wir terminlich unterwegs sind. Pudeldame Zelda hat somit ein paar Tage und Nächte mit uns verbracht. Aufregend für Niko, aber auch entspannter für Zelda. Denn wir sind für sie vertraut und sie musste währenddessen auch nicht auf ihre gewohnte Umgebung im Büro verzichten.
Wo Hunde willkommen sind, ist ein gewisser Spirit zu spüren.
„Auch unsere Hunde haben mal ihre 5 Minuten und jagen sich dann gerne durch die Gegend. Die Aufteilung der Räumlichkeiten bietet es ja auch an. Nach ein paar Minuten hat sich das auch wieder. Steckt aber einer der Kollegen gerade dann mitten im Call, muss schnell wieder Ruhe einkehren. Ein anderer stört sich vielleicht an Hundehaaren auf dem Sofa. Aber wie gesagt – mit Rücksicht geht alles“, teilt Michael Hetzinger seine Erfahrungen.
Niko reagiert sensibel auf Bewegungsreize und allgemeine Unruhe. Keine gute Voraussetzung sobald wir in unseren regelmäßigen Musterversänden stecken. Durch das Packen der Produkte, Herummräumen und die Vorbereitung des Versandes hängt meistens eine Hektik in der Luft. Eine gute Vorarbeit oder auch Gewöhnung an die Umwelt ist daher mehr als wichtig.
Ist der Hund noch im Welpenalter, lässt sich von Anfang an viel Einfluss darauf nehmen. Tierschutz- oder Auslandshunde haben aufgrund ihrer meist schlechten oder auch fehlenden Erfahrungen stärker mit der Situation zu kämpfen. Meist ist ihre genaue Vorgeschichte unbekannt und damit die Ursache für ein Meideverhalten, Angst oder sogar Aggression nicht eindeutig erklärbar.
Lässt sich dennoch ein auffälliger Hund in eine Bürogemeinschaft integrieren?
Ein gezieltes Training kann hier sehr gut unterstützen. Bei Hunden aus dem Tierschutz sollte von vornherein mit einer längeren Eingewöhnungsphase geplant werden. Die Erwartung irgendwelcher Wunders sind hier fehl am Platz. Gerade diese Hunden brauchen genügend Zeit und liebevolle Geduld. Zumeist bleiben sie nicht gerne alleine zu Hause – so wie Niko. Deswegen ist die Begleitung ins Büro eine wirklich gute Alternative und Chance. Ein Training vorher oder auch begleitend entwickelt bei Mensch und Hund ein sicheres Gefühl für die neue Situation.
Ebenso lohnt sich ein Blick auf die genetische Herkunft unserer Begleiter. Viele Jagd-, Hüte- oder auch Schutz- und Treibhunde finden sich in unseren Familien. Und fast alle haben, schon rein genetisch bedingt, eine Aufgabe, wie die Bezeichnung vermuten lässt. Mal ist diese weniger, mal stärker ausgeprägt. Oft geht damit eine große Herausforderung für den Menschen einher, wenn die Veranlagung einer Rasse wirklich durchschlägt. Mit gleicher Sicherheit gibt es ebenso Vierbeiner, die nicht für einen 9-to-5-Job geeignet sind. Auch ein Großraumbüro mit viel Bewegung, starker Geräuschkulisse und permanenter Hektik ist die denkbar schlechteste Umgebung für so manche Hunde(rasse).
Komfortverhalten als Indikator
Auch Niko ist so ein Kandidat. Negative Schwingungen nimmt er sofort auf. Ganz offensichtlich zeigte sich dies in einer Konfliktsituation innerhalb des Teams. Er wird deutlich verhaltener und zieht sich zurück. Dass trotz Harmonie und guter Laune auch Spannungen auftreten können, ist allerdings normal. Etwaige Veränderungen in Nikos Verhalten nehme ich nun sehr viel sensibler wahr und versuche, sobald sich die Gemüter erhitzen, Niko schnell aus der Situation zu helfen.
Grundsätzlich ist es eine tolle Sache, den Vierbeiner mit zur Arbeit zu nehmen. Fällt mir aber auf, dass Niko so gar kein Komfortverhalten mehr zeigt, weder im Büro oder zu Hause, werde ich aufmerksam: Was läuft gerade in die falsche Richtung? Kann es am Büro liegen? Habe ich dort etwas übersehen? Denn ist der Hund dadurch spürbar gestresst und zeigt bereits Veränderungen im Verhalten, sollten zu seinem Wohle andere Möglichkeiten einer Tagesbetreuung ausprobiert werden. HuTas oder auch Bezugspersonen aus dem Freundes-, Familien- oder Bekanntenkreis können eine mögliche Alternative sein, und manchmal dann auch die bessere.
Als Komfortverhalten werden alle Verhaltensweisen verstanden, die der eigenen Körperpflege dienen sowie Behaglichkeit und Wohlbefinden anzeigen, wie etwa:
– Strecken, Räkeln und Gähnen, Wälzen
– auf dem Rücken oder der Seite liegen/ schlafen
– entspannte Körperhaltung im bekannten Umfeld
– normales Schlafverhalten
– Allogrooming als soziale Körperpflege
Plötzliche oder schleichende Verhaltensänderungen sind ein sicheres Zeichen, dass es dem Hund in irgendeiner Art und Weise nicht gut geht. Extreme sind nie gut, weder zu viel noch zu wenig. Nicht immer verbergen sich dahinter körperliche Ursachen. Gerade neue Situationen, unklare Strukturen oder Eingewöhnungsphasen können die Psyche unserer Hunde aus der Balance bringen.
Wenn der Neue kommt
Hunde, die nur wenige Regeln kennen oder schon mal ihr Territorium gerne verteidigen, können sehr massiv und unangenehm werden. Vor allem, wenn plötzlich ein neuer Vierbeiner dazu kommt und auch bleibt. Hier gilt es, vom ersten Moment an sensibel und souverän zu managen, damit eine kleine Situation nicht sofort eskaliert. Klarheit ist ein ganz einfaches Hilfsmittel. Aber sie muss gelebt werden, und zwar jeden Tag!
„Der andere ist ok.“
Ein möglichst strukturierter Ablauf hilft beim Einstieg in die Arbeitswelt mit Hund. Alles andere wird sich entwickeln. Wenn Mensch die Hunde nicht einfach machen lässt, sondern den Erstkontakt so steuert, dass möglichst wenig oder am besten gar nichts passiert, sind schon entscheidende Pluspunkte gesammelt. Ein gemeinsamer Spaziergang lockert alle auf. Also warum dann nicht nutzen zum Einstieg, wie zum Beispiel sich morgens einfach zur gemeinsamen Hunderunde verabreden. Die Hunde können sich im freien Raum am besten kennenlernen und den anderen Kollegen auf vier Pfoten aus sicherer Entfernung anschauen und lesen.
Wir können es uns und Hund einfach machen. Es ist nicht gesagt, dass es dann drinnen von Anfang an klappt, aber meist stehen die Chancen besser. Je mehr Routine in den Ablauf kommt, umso besser wird der Alltag akzeptiert. Wirklich vorhersehen lässt sich keine Situation. Aber man kann vorausschauend handeln.
Tipp: Alle machen sich vorher bereits Gedanken, wo jeder Hund sein Körbchen hat. Wo verstaue ich seine Näpfe, das Futter und die Spielsachen? Sich erst darüber Gedanken zu machen, wenn der Hund schon dabei ist, kann schnell in Hektik umschlagen. Und das spürt der Hund sofort.
„Also bestenfalls haben die Hunde vor der Arbeit schon ordentlich Bewegung gehabt und dürfen im Büro erstmal begrüßen. Das gehört dazu – sowohl bei den Hunden als auch bei den Menschen. Das kann auch ruhig mit ein bisschen mehr Action sein. Danach sind sowieso alle müde und schlafen bis mittags. In der Pause geht es dann raus in den Park oder auf eine Wiese. Zurück im Büro wird sich wieder begrüßt, falls die Vierbeiner nicht zusammen draußen waren. Der Nachmittag wird bis auf ein paar kleinere Spieleinheiten verschlafen. Die richtige Mischung aus Aktiv und genügend Zeit zum Schlafen“, Michael Hetzinger weiter. Die meisten Nicht-Hundehalter wissen oftmals gar nicht, dass Hunde tagsüber eigentlich viel schlafen und wie ungesund es ist, wenn sie ihr Schlafbedürfnis nicht erfüllen. „Die Hunde schauen sich auch gegenseitig viel voneinander ab. Sie erziehen sich quasi gegenseitig. Toni hat zum Beispiel Hertha miterzogen und jetzt erziehen sie alle zusammen Carlos“, schmunzelt Michael Hetzinger.
Kleine Checkliste
– Sind zwei oder mehrere Hunde im Büro, sollten sie sich vorher an einem neutralen Ort miteinander bekannt machen. Dadurch lassen sich Konflikte wie Platzmangel oder Territoritalität vorbeugen.
– Nicht immer stimmt die Chemie: Vertragen sich die Hunde nicht, sollten sich die Tiere möglichst nicht begegnen. Eine räumliche Trennung oder abwechselnde Schichten – falls nur ein Büroraum vorhanden ist – wären mögliche Lösungen.
– Geklärte Besitzansprüche: Jeder Hund hat seinen eigenen Futternapf sowie sein eigenes Spielzeug und Schlafplatz.
– Läufige Hündinnen sollten zu Hause gelassen werden, wenn Rüden ebenfalls im Büro anzutreffen sind. Die Hunde lediglich räumlich zu trennen, bedeutet nur Stress für die Hunde und ebenso für das Team. Alleine der Geruch einer läufigen Hündin lässt so manchen Rüden dauerwinseln, jaulen oder Ausbruchsversuche starten – auch bei kastrierten Rüden.
– Es liegt in der Natur des Hundes zu bellen. Und meistens stimmt der Andere gleich mit ein. Schimpfen hilft hier nicht! Denn der Hund interpretiert unsere Aufregung dann nämlich fälschlicherweise als mitbellen und fühlt sich bestärkt. Effizienter ist es, nicht großartig darauf einzugehen und dem Hund zu vermitteln, dass hier nichts Spannendes passiert. Und falls doch, sollte man dem Hund kurz und freundlich ’seine Arbeit‘ abnehmen: Den Besucher begrüßen und relativ belanglos weitermachen.
– Ansteckungsgefahr untereinander: Unter den vierbeinigen Kollegen ist es so ähnlich wie beim Menschen. Bei Grippe, Durchfall, Erbrechen oder anderen gesundheitlichen Auffälligkeiten sollte man wachsam sein und den erkrankten Vierbeiner zu Hause lassen, um keine gegenseitige Ansteckung zu riskieren.
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Genau wie wir auch müssen sich Hunde aneinander gewöhnen können und sollten die Zeit bekommen, sich auf ein neues Umfeld einzustellen. Grundsätzlich profitieren Hunde von anderen vierbeinigen Kollegen im Büro. Wenn der Mensch sich um den Rahmen kümmert und alle damit einverstanden sind, dann steht mehreren Bürohunden nichts im Wege. Tipp: In einem Tagebuch lassen sich regelmäßig Stichpunkte zu Körperhaltung, Körpersprache, Umgebung und Tagesablauf festhalten. Diese Beobachtungen sind hilfreich für einen guten Gesamtüberblick, vor allem am Anfang.
Mein Kollege mit der kalten Schnauze
// Erfolgreiches Teambuilding für zwei- und vierbeinige Kollegen
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