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Mutig, loyal und mystisch – Hunde in der Kunstgeschichte

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ie Beziehung zwischen Mensch und Hund ist eine ganz besondere. Doch wie lässt sich das erklären? Unter dem Titel „Portraits of Dogs: From Gainsborough to Hockney“ geht die Wallace Collection in England mit mehr als 50 Kunstwerken dieser Frage nach.

Seit Jahrhunderten lassen sich Künstler:innen von ihren vierbeinigen Begleitern inspirieren. Sie fertigten  Porträts an, um Gefühle auszudrücken und Momente in Erinnerung zu behalten. Die am 29. März 2023 eröffnete Ausstellung erforscht die geheimnisvolle Verbindung zwischen Menschen und Hunden. Eine sorgfältige Auswahl an Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen als auch Präparaten macht die einzigartige Verbindung zwischen Menschen und ihren hündischen Begleitern sichtbar. So wie sich der Zeitgeist im Laufe der Geschichte verändert hat, sind auch die wechselnden Gefühle gegenüber Hunden in der Kunst festgehalten. Denn in verschiedenen Epochen hat sich die Kunst auf bestimmte Eigenschaften der Vierbeiner konzentriert, wie etwa deren Einfühlungsvermögen, Treue, überragende Sinnesorgane und Intelligenz.

Schon auf frühesten Höhlenmalereien sind Hund neben Menschen dargestellt. Ab dem 17. Jahrhundert erlebten Hunde in der Kunstgeschichte ihre Blütezeit, vor allem in Großbritannien. Mehr als jede andere Nationalität haben Briten Porträts ihrer Hunden in Auftrag gegeben und gesammelt.

„Die Art und Weise, wie unsere Beziehung zu Hunden in die Kunstgeschichte einfließt, ist faszinierend und ein Spiegelbild der Gesellschaft“, erklärt Xavier Bray, Kurator der Ausstellung, in einem Interview mit BBC Culture. Es gibt aber auch einen Hinweis auf die tiefere symbolische Bedeutung von Hunden, die in eine eher esoterische und metaphysische Sphäre führt. Einer der reizvollsten Aspekte von Hunden ist ihr offensichtliches Einfühlungsvermögen in menschliche Gefühle:

Der Porträtmaler Thomas Gainsborough schrieb Briefe an seine Frau, die nach einem Ehestreit von seinem Lieblingshund überbracht und „unterschrieben“ wurden. Ein Porträt (Tristram und Fox, 1775-85) seiner beiden Lieblingshunde hängte er sogar über seinem Kamin auf. Darin spiegelt sich eine Denkweise jener Zeit wider, die als Kult der Empfindsamkeit bekannt ist.

Tristram and Fox c.1775-85 Thomas Gainsborough 1727-1788, geschenkt von der Familie Richard J. Lane 1896

Alexander Collins, ebenfalls Kurator der Ausstellung, erklärt gegenüber BBC Culture: „Es ist Teil eines philosophischen Dialogs im 18. Jahrhundert über die Natur der Tiere und darüber, ob sie empfänglich und emotional intelligent sind. Es ist Teil des Zeitgeistes, Tiere zu respektieren, ihre Intelligenz zu verstehen und ihnen eine Identität zu geben.“

Ein weiterer Aspekt der hündischen Psyche, der in der Kunst immer wieder hervorgehoben wird, ist die Treue. Die Arbeiten des britischen Malers Sir Edwin Landseer aus dem 19. Jahrhundert zeigen dies ganz besonders deutlich. Hector, Nero und Dash mit dem Papagei Lory (1838) zeigt die Haushunde von Königin Victoria als Inbegriff der Treue und kontrastiert mit dem Papagei, der geistesabwesend Nussschalen auf dem Boden verteilt. (Bildnachweis: Seine Majestät König Charles III. 2022)

Hector, Nero, and Dash with the parrot, Lory 1838 (Sir Edwin Landseer (1802-73))

Landseers The Old Shepherd’s Chief Mourner (um 1837) geht noch mehr in die thematische Tiefe, indem es einen Hund zeigt, der sich hingebungsvoll auf dem Sarg seines Herrn ausruht, mit traurigen, in den Himmel blickenden Augen.

The Old Shepherd's Chief Mourner, 1837 (Sir Edwin Henry Landseer (1802-1873)) Ausgestellt: Victoria and Albert Museum London United Kingdom

Obwohl sie vor allem für ihre Pferdebilder bekannt war, liebte Rosa Bonheur alle Arten von Tieren. Wenn man sich ein Bild von Rosa Bonheur anschaut, fühlt man sich ein bisschen wie in einer Folge von „Bojack Horseman“. Im Alter von dreißig Jahren verdiente Bonheur mit ihren Tierbildern genug Geld, um sich ein eigenes Schloss zu kaufen, in dem sie fast eine ganze Arche wilder Tiere zum Studieren, Malen und Spielen hielt.

Leider war es im neunzehnten Jahrhundert nicht einfach, als Frau künstlerisch tätig zu sein. Bonheurs Vater Raimond, selbst Landschaftsmaler, ihr das Malen bei. Trotz ihres leichteren Einstiegs musste sich Bonheur mit den Problemen der zeitgenössischen Kunstwelt auseinandersetzen. Kunst ist nicht gleich Kunst – es gibt eine strenge Hierarchie, die den Wert von Gemälden bestimmt, vor allem wenn es um das Genre geht. Frauen wurden oft darauf verwiesen, nur die „minderen“ Genres zu malen, wie Stillleben und Genrebilder. Bonheur ließ sich von dieser Tatsache jedoch nicht unterkriegen. Sie sah eine Chance in der Tiermalerei und nutzte sie.

Dieses Gemälde eines weiblichen Otterhundes ist ein Beispiel für Bonheurs Talente, die sich trotz vieler Widrigkeiten entwickelten, aber irgendetwas an diesem Gemälde passt einfach nicht zusammen. Die grobe Qualität und die schiefe Anordnung des Wortes „Brizo“ über dem Hund spiegeln nicht die sorgfältige Arbeit wider, die Bonheur in ihre Gemälde gesteckt hat. Gelehrte vermuten, dass jemand das Brizo, den Namen einer antiken griechischen Göttin, dem Gemälde hinzugefügt hat, nachdem es Bonheurs Hände verlassen hatte. Der Gedanke macht jedoch Sinn. Brizo war die Beschützerin der Seeleute und Fischer. Die Fischer hätten diese Hunderasse sicherlich zu schätzen gewusst, denn sie half ihnen bei der Jagd auf Otter, die vor ihnen an die Fische gekommen wären.

Brizo, A Shepherd's Dog (Rosa Bonheur (1822–1899)), The Wallace Collection

Die Darstellung eines Hundes als Sinnbild für den Gipfel der Treue war ein weit verbreitetes Symbol der Renaissance, wie hier in Tizians Venus von Urbino.

Venus von Urbino (Tizian, um 1538), Galleria degli Uffizi in Florenz

Ein weiteres frühes Werk ist eine Serie wissenschaftlicher Zeichnungen von Leonardo da Vinci, die sich auf die linke Vorderpfote eines Hundes konzentriert und die weichen Pfotenballen genau umreißt. Da Vinci verwendete beide Seiten des Papiers für seine detaillierten Studien der Pfote, die wahrscheinlich von einem Deerhound stammt. Die Darstellungen aus verschiedenen Blickwinkeln sind typisch für seine analytische Herangehensweise an die natürliche Welt, die er durch umfangreiche und oft kommentierte Zeichnungen erforschte.

Leonardo da Vinci, Studies of a Dog's Paw (1490), National Galleries of Scotland

Dog Painting 19 (1995) ist Teil von David Hockneys Serie Dog Days, mit der er seinen Lieblingsdackeln zu einer Zeit Tribut zollte, in der er enge Freunde durch Aids verloren hatte. Die Serie wurde durch den Tod des engen Freundes des Künstlers, Henry Geldzahler, inspiriert. „Ich wollte unbedingt etwas Liebevolles malen“, schrieb Hockney. „Ich fühlte einen solchen Verlust an Liebe, den ich auf irgendeine Weise verarbeiten wollte… Sie sind wie kleine Menschen für mich. Das Thema waren nicht die Hunde, sondern meine Liebe zu den kleinen Kreaturen.“ (Credit: David Hockney)

Dog Painting 19 (David Hockney, 1995)

Hunde sind Grenzgänger, die an der Schwelle zwischen zwei Welten stehen - der menschlichen und der tierischen.

James Wards Porträt von Fanny, A Favourite Dog (1822) gibt uns eine weitere Perspektive auf die menschliche Besessenheit von Hunden: ihre Intelligenz. Der britische Architekt Sir John Soane (1753-1837), gab dieses Porträt nach ihrem Tod im Jahr 1820 in Auftrag. Bray zufolge wurde Fanny von Soane sehr geliebt. „Was für ein Glück für den Hund, dass er ein Soane-Grabmal hat! Er konnte nicht widerstehen, Fanny in die Ruinen des Parthenon in Athen zu stellen. So wird er nicht nur gewürdigt, sondern erhält auch einen schönen klassischen Kontext.“ Es ist, als ob er Fanny als eine Art weiser Antiquitätenhändlerin betrachtete.

Portrait of Fanny, a favourite Dog (James Wards, 1822), Sir John Soane's Museum

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Hunde sind nicht nur die besten Freunde des Menschen, sondern auch die besten Musen. In ihnen sehen wir menschliche Eigenschaften wie Treue, Einfühlungsvermögen und Intelligenz; aber wir bewundern auch ihre sensorischen Superkräfte und ihre Verbindung zur Wildnis.

Die aktuelle Ausstellung der Wallace Collection erinnert uns, wie sehr uns Hunde schon immer faszinieren, weil wir sie als Zwischenwesen betrachten: als Spiegel unseres eigenen Verhaltens, als Fenster in die Geheimnisse der Natur.

Portraits of Dogs: From Gainsborough to Hockney

29. März – 15. Oktober 2023
#WallaceWoofs

The Wallace Collection
Hertford House,
Manchester Square,
London W1U 3BN