#hierkommtniko – Happy 4. Jahrestag
28. Juni 2015, kurz nach 05.00: Es dämmert. Die Luft ist angenehm frisch und ich ziehe auf dem Gehweg ein sich mit allen Vieren sträubendes Fellbündel hinter mir her. Irgendwie habe ich mir das neue Zusammenleben ein bisschen anders vorgestellt. Zwei, die sich aufeinander verlassen können und fröhlich Stadt und Alltag erobern – so etwa in diese Richtung hatte ich es mir ausgemalt. Das war also gemeint mit „Er muss sich noch an den Alltag gewöhnen“ und „Er kann noch nicht so viel.“ So schrieb es Conny Breimaier auf der Webseite ihrer Tierschutzorganisation, die mir meinen Pudel-Junghund Niko vermittelt hat. Ein bisschen blauäugig hatte ich mir über die Konsequenzen dieser beiden Sätze gar nicht viele Gedanken gemacht.
*Spanische Hunde kommen sehr häufig aus Tötungsstationen (so wie Niko) oder von der Straße ins Tierheim. Über die Vergangenheit der Tiere wissen die Vermittler entsprechend wenig. Mit ihrer Erfahrung und Beobachtung der Tiere geben die meist ehrenamtlichen Helfer ihr Bestes, das Tier und seine Eigenschaften zu beschreiben. Aber ohne Garantie. Denn wer kann schon vorhersehen, wie sich der Hund in seinem neuen Umfeld entwickelt und wie sehr sich das mit dem Verhalten im Tierheim deckt.
Und so fragte ich mich an diesem ersten gemeinsamen Morgen, wie ich ihn dazu animieren könnte, sich draußen zu lösen und neugierig die Straße zu erkunden. Alles brauchte seine Zeit und die forderte Niko konsequent für sich ein.
Heute vier Jahre später …
ist das schwarze Fell grau geworden. Niko ist in Berlin, in seinem neuen Leben angekommen. Wir sind ein eingespieltes Team. Im Vorwärts- und Rückwärtstakt haben wir uns kennengelernt und einen gemeinsamen Rhythmus für unseren Alltag gefunden. Recht schnell habe ich mich daran gewöhnt, dass ich die meiste Zeit mit „Anhang“ unterwegs bin und sich dafür gewisse Freiheiten, Spontanitäten aber auch Freundschaften verändern. Mein Blick auf mich selbst, mein Umfeld und auf das, was ich mir von meinem Leben wünsche, schärfte sich – und entfaltete sich unter anderem in der Gründung dieses Blogs, auf dem ich die Zeit mit Niko festhalten möchte. Es gab einige erste Male und Entscheidungen – raus aus der Komfortzone ins Unbekannte. Davon hatte ich schon im Januar geschrieben. Ohne Niko hätte es das alles wahrscheinlich nicht gegeben. Denn auch ich bin ein Mensch, der die Bequemlichkeit des Alltags gern annimmt.
Allerdings …
muss ich auch zugeben, dass die ersten Wochen eine echte Herausforderung waren. Plötzlich waren da Problemen, mit denen ich so nicht gerechnet hatte. Wo kann Niko unterkommen, wenn er nicht mit ins Büro darf? Wie bekomme ich ihn schnellstmöglich stubenrein, damit es im Büro nicht unnötig zu Konflikten kommt? Kann ich dieser sensiblen kleinen Seele überhaupt gerecht werden? Insbesondere diese Frage ging mir seit der Einfahrt des Zuges in den Berliner Hauptbahnhof nicht mehr aus dem Kopf. Auf Jungfernfahrt sind Niko und ich fast einen halben Tag quer durch Deutschland gefahren. Ich – klammernd an meinen DB-Filterkaffee und sichtlich übernächtigt; Niko in einer geräumigen braunen Reisetasche, die ich vor etlichen Jahren von meinem Opa bekommen hatte, neben mir am Fensterplatz. Kurz vor Mitternacht mit einiger Verspätung empfing uns das bunte Treiben des Berliner Nachtlebens. Ich schaute auf den kleinen Pudel in der Tasche. Braune Augen erwiderten fragend meinen Blick und wussten nicht so recht, was die abrupte Aufbruchstimmung zu bedeuten hat.
Kann er sich hier überhaupt wohlfühlen?
Eine Frage, die sich jeder unbedingt vorher stellen sollte! Berlin mit Hund fühlte sich nun ganz anders an als Berlin ohne Hund. Achtlos weggeworfenes Essen, tonnenweise Glasscherben, volle Öffis und Verkehrsschlangen, die sich zur Rushhour ihren Weg durch die Stadt bahnen. Mit Niko lernte ich meine Stadt von einer ganz neuen Seite kennen. Auf den ersten Blick versteckt Berlin sein „grünes Herz“. Parks und Wiesen, grüne Hinterhofoasen, viel Wald drumherum und natürlich ungeschlagen das Tempelhofer Feld in seiner einzigartigen Weitläufigkeit. Als Hundehalter nimmt man seine Umgebung aus ganz anderen Perspektiven wahr. Treffe ich mich mit Freunden auf einen Café oder einen Drink suche ich ganz bewusst Orte aus, an denen auch Niko gut abschalten kann. Sind wir auf der Strasse unterwegs, habe ich mittlerweile ganz automatisch die Radwege im Blick, schaue vorausschauend nach zerbrochenen Glasflaschen oder entgegenkommenden Hunden.
Hunde können wunderbar im Hier und Jetzt leben. Sie lassen uns neue Wege erkennen und sind unglaubliche Motivatoren.
Leben heißt Veränderung.
Ruhig atmend liegt Niko neben seinem Hundekissen auf dem weichen Teppich. Die grau melierten Locken heben und senken sich ganz leicht. Ich schaue ihm so gerne beim Schlafen zu. Gewohnheiten lassen mich immer wieder schmunzeln, egal wie stressig die Welt um mich herum gerade ist. Doch auch nach vier Jahren bleibt nicht immer alles, so wie es ist. Mit dem Ende seiner Pubertät sind Hundebegegnungen mit Rüden nicht mehr unbedacht möglich. Viele Rüden sind ihm nicht besonders wohl gesonnen. Bis auf sehr wenige Situationen sind wir bisher mit einem blauen Auge und gehörigem Schreck davon gekommen. Spontane Besuche von Hundeplätzen sind zu den „Stoßzeiten“ einfach nicht mehr drin.
Abgesehen von Silvester machen ihm neuerdings auch Gewitter ziemlich Angst. Sogar im Haus sucht er zitternd meine Nähe und kann sich gar nicht beruhigen. Woher diese Angst plötzlich kommt, kann ich nicht ergründen. Allerdings lasse ich ihn nun bei solchen Wetterlagen nicht mehr allein zu Hause. So wie neulich – während des Einkaufs kündigen sich endlich Gewitter an. Ich freute mich schon auf die frische Luft, musste mich aber dennoch sputen. Zwischen Donner und monsunartigem Regen rannte ich mit meiner Einkaufstasche nach Hause. Um auch im Büro erkenne ich manchmal eine völlig neue Seite an ihm. Zum Beispiel wenn er mit seiner Hunde-Kollegin Zelda ein Kläff-Konzert anstimmt, wenn es an der Tür klingelt.
Es bleibt also immer spannend und genau das macht mich glücklich.
Adoption ist die bessere Wahl
Als Kind bin ich mit Bibi, einer Großpudelhündin, aufgewachsen. Wie sie ihren Weg in unsere Familie gefunden hat, kann ich leider nicht sagen. Ich nehme aber an, dass meine Großeltern sie direkt aus einer Zucht übernommen haben. Richtig in Berührung gekommen mit Tierheimen und Tierschutzorganisationen bin ich erst sehr viel später. Als ich mit dem Gedanken spielte, einen Hund einziehen zu lassen, suchte ich ganz gezielt auf Vermittlungsseiten. Es gibt so viele kleine Tierheime, Vereine und Pflegestellen, wo kleine Seelen auf ein neues Zuhause warten. Ich war und bin immer noch überwältigt, wieviele Tiere irgendwo auf ihren Menschen warten. Jedes mit seinem ganz persönlichen Schicksal. Neulich habe ich beim Durchscrollen auf Facebook wieder einen Aufruf für „vergessene Tierheimhunde“ gesehen. Anscheinend gilt unter den Heimen und Vereinen die Faustregel, alles ab einem Jahr Wartezeit aufwärts, ist nur noch schwer vermittelbar beziehungsweise vergessen. Es gibt einfach soviele Tiere – man kann das gar nicht oft genug betonen. Das stimmt mich jedes Mal sehr nachdenklich. Und ja, ich würde immer wieder adoptieren. Allerdings nicht mehr so „spontan“, sondern mit Bedacht und Rücksicht auf Niko, denn es muss ja für alle Seiten passen.
Greta und Curly
Damals habe ich nach keiner bestimmten Rasse gesucht. Sondern ließ einfach das jeweilige Profil des Hundes auf mich wirken. Geschlecht und Alter waren für mich auch erst einmal egal. Hauptsache nicht zu groß. Ich wollte lieber einen kleineren Hund in die Stadt holen. Was aber vielen vielleicht gar nicht bewusst ist – in den Tierheimen und Tierschutzvereinenwerden auch Rasseliebhaber mit Sicherheit fündig – von Welpen bis zum Senior. Man muss nur ein bisschen Geduld mitbringen und seine Suche ausweiten. Zum Beispiel gibt es auch Facebook eine Gruppe Notfallpudel, in die regelmäßig Pudel gepostet werden, die aus verschiedenen Gründen ein neues Zuhause suchen.
Momentan kreisen meine Gedanken ziemlich viel um Greta, die sich (zum Glück) in guten Händen bei Stray Aid Montenegro befindet. Die Hündin hat nicht nur mit ihrer Leishmaniose sehr zu kämpfen. Durch die Situation im Tierheim ist sie ziemlich gestresst und kommt kaum zu Kräften. Eine Pflegestelle wäre daher ideal, um langsam ins Leben zurückzufinden. Doch für die Reise muss sie erst einmal etwas Energie tanken. Ich bin sehr gespannt, wie es mit ihr weitergeht und drücke ganz fest die Daumen. Ähnliche Gedanken hatte ich vor einigen Monaten. *Kleiner Spoiler: Mit Happy End! Auf dem Instagram Kanal vom Tierheim Bergheim entdeckte ich Curly. Seine Geschichte hatte mich sofort eingefangen, also übernahm ohne langes Überlegen eine Patenschaft. Mittlerweile ist Curly umgezogen und lebt bei einer Familie in der Umgebung von Köln.
Jedes Jahr über 12.000 Tiere – allein im Tierheim Berlin
Das größtes Tierasyl Europas erstreckt sich über gefühlt 30 Fußballfelder. Ein riesiges Team aus Pflegern, Ärzten und Verwaltungsmitarbeitern kümmert um ausgesetzte oder abgegebene Tiere. Manche bleiben nur wenige Tage, andere mehrere Monate oder sogar Jahre. Ob angebunden an der Straße oder am Zaun, abgestellt im Pappkarton oder in der Mülltonne oder sich selbst überlassen im Wald – viele Wege führen ins Tierheim, aber immer auf Kosten der Vierbeiner. Um ein kleines Zeichen zu setzen, eröffnete die SOS Hundehilfe Prignitz e.V. im Frühjahr ihre erste Hundeklappe – für Notfälle. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, so dass der Verein die Klappe temporär wieder schließen musste. Denn Platz ist überall Mangelware.
Damals wie heute: Tierschutz als steter Spiegel der Gesellschaft
Du willst mehr wissen oder suchst vielleicht einen tierischen Partner?*
Strolchfinder
SOS Hundehilfe Prignitz e.V.
Tierheim am See
Stray Aid Montenegro
Tierische Lichtblicke e.V.
Salva Hundehilfe