Was ich dir immer schon mal sagen wollte – ein Brief für Niko

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ieber Niko, seit ein bisschen mehr als vier Jahren begleitest du mich jeden Tag durch mein Leben. Du bist immer da, hast die Tür fest im Blick, wenn ich nicht da bin und kommst morgens um halb 6 zuverlässiger als ein Wecker angesprungen, um mich mit wedelndem Schwanz und deiner Pfote in meinem Gesicht endlich zum Aufstehen zu bewegen. Bist du mein wichtigstes Familienmitglied? Vielleicht.

Ende Juni vor vier Jahren habe ich dich aus Spanien adoptiert. Da warst du gerade sechs Monate alt und musstest noch so viel entdecken. Nach über sieben Stunden Zugfahrt, deine allererste, in eine laute, sehr lebendige Stadt, bist du voller Neugierde aus der Tasche gesprungen und munter durch dein neues Zuhause gehoppst. Das mit dem Welpenschema kriegst du immer noch gut hin, obwohl du mittlerweile als erwachsener Herr Pudel durchgehst. Ein herzzerreißender, trauriger Blick als könntest du für kein Unheil auf der Welt verantwortlich sein – auch nicht für das angeknabberte Brötchen auf dem Teppich im Schlafzimmer, das vorhin noch in meiner Einkaufstasche lag.

Nach deinem Frühstück magst du es, dich ganz dicht neben mich einzurollen. Leise träumst du vor dich hin, während ich Mails checke und meinen beziehungsweise unseren Tag plane. Ab und zu einer kleiner Schnaufer. Und wenn ich dich dann noch ein wenig kraule, rollst du dich auf den Rücken, streckst mir deine Pfoten entgegen und zeigst dein weiches, warmes Bauchfell. Wie kann man dich nicht lieben?

Ach Niko, ich möchte mich bei dir entschuldigen. Hier noch ein Foto, dort schnell anhalten. In die Kamera schauen, vielleicht doch nochmal eine andere Perspektive. Warum das Ganze? Scheinst du dich jedes Mal zu fragen. Rennt mir die Zeit davon, hetze ich mit dir durch die Straßen. Umgeduld lässt nicht lange auf sich warten. Zu einfach fängt mich das Hamsterrad wieder ein. Zu oft habe ich nicht die Geduld gewisse Sachen zu üben, damit du es einfacher hast, wenn ich mal etwas ohne dich machen muss oder ich dich zuverlässig von der Leine lassen kann.

Doch wie siehst du mich eigentlich, Niko? Bin ich ein zu glatt gebürsteter Pudel für dich? Ein Mensch? So was wie deine Eltern? Ich weiß es nicht, du sprichst ja nicht. Und trotzdem unterhalten wir uns. Ich spreche dich an. Du schaust mich an. Ich rede weiter. Du hebst die Ohren. Wieder ich. Ein Schnaufen. Was hast Du gesagt? Du neigst den Kopf. Weiter gehts.

Seitdem du bei mir lebst, hat sich einiges verändert. Oftmals – eigentlich immer – gibt es uns nur im Doppelpack. Das wirkt sich natürlich auf die Art meiner Arbeit aber auch auf Verabredungen, Reisen und ganz normale Spontanitäten aus. Ein Besuch im Museum, ein Wellness-Nachmittag oder lange Kreuzberger Nächte – alles muss irgendwie geplant werden, denn entspannt zu Hause bleiben, ist nicht wirklich deine Stärke und lässt mein schlechtes Gewissen wachsen. Und ich muss dir ein Geständnis machen. Neulich, du erinnerst dich vielleicht, habe ich dich für einen Vormittag zu Freunden gegeben. Aus dem geplanten Spa-Besuch ist allerdings nichts geworden. Denn ganz plötzlich konnte ich spontan entscheiden, was ich tun möchte, unabhängig davon, ob Hunde erlaubt sind oder nicht. Ein neues altes Gefühl. Aber vermisst habe ich dich auf meinem spontanen Streifzug durch die Stadt schon. Es fehlte jemand an meiner Seite.

Denn es ist nun mal so: Ich kann niemals wirklich ungeplant ein paar Tage wegfahren. Durch die Clubs ziehen, ein langer Barabend, ein Kurztrip nach Kopenhagen oder Barcelona. Jemand muss für dich da sein. Auch kann ich deinetwegen kaum eine Nacht durchschlafen. Um halb sechs morgens meldest du dich und läutest unsere tägliche Routine ein. Andere Menschen kennen das, wenn sie Babies oder Kleinkinder haben. Kinder allerdings werden irgendwann selbständig und erwachsen. Du, lieber Niko, wirst es nie.

Aber dich nicht im Schlafzimmer, in meiner Nähe schlafen lassen? Das wäre wie eine teure Flasche Wein zu kaufen, ohne sie jemals zu genießen. Ein schönes Rennrad, das niemals den Asphalt berührt. Gibt es doch nichts Schöneres, als wenn du dich, nachdem das Licht ausgeschaltet ist, neben mir gemütlich machst. Und wenn ich morgens, nach dem Aufwachen, deine wild abstehenden Locken beobachte, die sich leicht mit jedem Atemzug heben. Manchmal schläfst du noch und träumst – vielleicht aufregenden Waldspaziergängen? – und deine Pfoten zucken hin und wieder.

„Die Welt ist eine Pudel.“ Und es ist wahr. Ich finde es beeindruckend, wie du die Welt erkundest, wie vorsichtig und behutsam du sein kannst und wie schlau du einfach bist. Und ein Genießer bist du – krault dir jemand ausgiebig den Rücken, wirfst du mir zufriedene Blicke zu. Du findest die besten Punkte im Raum, um alles zu überblicken. Um im nächstem Moment schon wieder ganz woanders zu liegen. Wie eine Katze schleichst du lautlos umher.

Niko, du beneidenswertes Lebewesen. Lebst im Her und Jetzt und brauchst dafür keine Produktivitäts-App, keine Bucket- und To Do-Listen. Und hättest du eine, stünde drauf: fressen, schlafen, spielen, schlafen, genießen, nach anderen Hunden Ausschau halten und versuchen, ein Leckerchen abzugreifen. Aber klar: Als schlauer Hund weißt du dein Leben so gut wie es geht auszuschöpfen.

Aus deinem Junghundealter bist du inzwischen herausgewachsen und in ein paar Tagen wirst du schon fünf. Die Zeit vergeht so schnell. Davor habe ich ein bisschen Angst. Gemeinsam sind wir gewachsen und haben hoffentlich noch viele gemeinsame Jahre vor uns. Mit Momenten, in denen ich den Schalk in deinen Augen so deutlich erkennen kann, in denen die Pudelohren auf der Suche nach Abenteuern und Spaß auf Durchzug schalten oder du mich daran erinnerst, mich endlich vom Schreibtisch zu lösen. Wenn ich neben dir liege, denke ich manchmal an den Tag, an dem du nicht mehr da sein wirst. Ich habe Angst davor, schon jetzt.

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