„Vom ersten bis zum letzten Handgriff sind wir eine ganz typische Manufaktur. Alles Handarbeit.“
Gemütlich schlängelt sich der Zug an diesem Sommermorgen durch die satten Wiesen und Wälder Brandenburgs. Nach fast mehr als zehn Jahren bin ich mal wieder auf dem Weg in meine alte Heimat und hatte schon ganz vergessen, mit welchem Charme sie die Lust nach Land und Natur weckt. Velten, Neuruppin, Pritzwalk und schließlich – kurz vor der Endstation – Groß Pankow. Hier machen wir Halt und werden auf dem Bahnhof schon erwartet. Meike Linden winkt mir schon freudig entgegen. Nach einigen Wochen E-Mail-Verkehr lernen wir uns heute endlich persönlich kennen. Mit ihrer Herzlichkeit hat sie unsere Sympathien gleich gewonnen, um so mehr freuen wir uns auf den Tag bei ihr und ihrer Mutter Bernadette. Denn heute darf ich den Beiden in ihrer Manufaktur über die Schulter schauen und sie für ein Behind-the-Scenes ausfragen.
Bereits nach wenigen Minuten Autofahrt sind wir auf dem Hof angekommen. Eine gemütliche kleine Oase, die Niko gerade dazu auffordert, sich an fast allen Ecken zu verewigen. Freudig schnüffelt er sich durch das Gras und die Blumen und kann es kaum erwarten, seine beiden vierbeinigen Gastgeber Pepper und Fips kennenzulernen.
Hier leben Mutter und Tochter nicht nur unter einem gemeinsamen Dach, sondern betreiben auch ihre kleine Manufaktur für Naturseifen LindGrow.
Und während Niko sich nach der Zugfahrt erst einmal draußen akklimatisiert, entführt mich Meike in das kleine, aber feine Herz von LindGrow. Sie muss noch ein paar Pakete aus Bestellungen fertig machen, die der Postbote nachher mitnimmt. Ich war wirklich baff. Denn LindGrow sind tatsächlich „nur“ Bernadette und Meike. Ich stellte mir vor, heute ein kleines, vielleicht mittelständisches Unternehmen zu besuchen, mit 2 bis 3 Büros, einem Labor, Lieferwagen und allem, was dazu gehört. 2 kleine Büros gibt es hier auch und natürlich auch die Produktion, aber Mutter und Tochter arbeiten hier Hand in Hand, und zwar allein.
Und damit hat sich noch ein weiteres Gesprächsthema gefunden. Denn ursprünglich wollte ich mich mit den Beiden über ihr nachhaltiges Unternehmen austauschen und bin auch deshalb von ihren Produkten überzeugt, weil diese nicht nur aus natürlichen Komponenten bestehen, sondern auch möglichst ökologisch produziert sind und vor allem auch ohne Plastik ihren Weg in die Badezimmer ihrer Kunden finden.
Schon beim Öffnen der Glastür in das kleine Seitenhaus strömt uns ein pudriger Duft entgegen. Der Vorraum gefüllt mit Regalen und Arbeitstischen ist zugleich Lager, Versand und Tüftelecke. Denn Kreativität braucht Platz. Hier entstehen Ideen für neue Designs und Verpackungen oder auch Seifenablagen, an denen beide gerade mit einer befreundeten Keramikkünstlerin arbeiten. Im Nachbarraum wartet schon Bernadette auf uns. Sie möchte einen großen Seifenblock schneiden. Mit einem eigens dafür angefertigten Seifenschneider sollen aus dem grünen, nach Kräutern duftenden 40kg-Koloss kleine, handliche Seifenstücke werden.
Angefangen hat alles im Jahr 2005. Damals führte Bernadette mit Blickfang ihr eigenes Deko- und Blumengeschäft in Kreuztal/Westfalen. Im Sortiment fanden sich auch zugekaufte Naturseifen, die aber weder Mutter noch Tochter wirklich überzeugten. Mit ein paar Gedankenanstößen von Meike fiel letztlich der Startschuss für eine eigene, nachhaltige Naturseifen-Linie unter der Marke Blickfang & Wohlgefühl. Und dieser Vision ist Bernadette auch knapp 15 Jahre später immer noch treu geblieben. Außer, dass sie ihre Heimat in Kreuztal gegen einen großen Storchenhof in der idyllischen Prignitz getauscht hat. Hier lebt und arbeitet sie nun gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Hunden, drei Pferden, drei Schafen, einem Kater und einem Storchenpaar mit Nachwuchs.
Die Manufaktur spannt beide ziemlich ein. Während Bernadette zwischen Rührwerk, Seifenformen und dem Schneider die Ärmel hochkrempelt, kümmert sich Meike um das Marketing und den Vertrieb.
„Mitgearbeitet habe ich schon immer. Allerdings eher bei den kommunikativen Sachen. Ich habe einmal selbst eine Seife hergestellt und gemerkt, dass ich an die Leidenschaft meiner Mutter nicht anknüpfen kann. Daher haben wir uns die Bereiche so aufgeteilt, wie jeder am meisten Spaß hat.“
Bernadette hingegen tüftelt gerne. Die Geräte, Werkzeuge und Vorrichtungen in der Produktion hat sie alle gemeinsam mit einem Schlosser aus dem Ort entwickelt und gebaut. Sogar die Holzformen, in die die flüssige Seife gegossen wird, sind selbstgemacht. Denn das notwendige Zubehör für eine professionelle Produktion, die nicht über das industrielle Fließband läuft, lässt sich bisher nur in Übersee finden. Selbst ist also die Frau und so baut sich Bernadette die Maschinen und Hilfsmittel, die sie benötigt, einfach selbst.
Marke Eigenbau
Über die Jahre sind Mutter und Tochter zu einem starken, eingespielten Team zusammengewachsen. Wie sehr sich beide vertrauen und sich gegenseitig in ihren Bereichen machen lassen, ist sogar für mich als Außenstehende beim Interview spürbar. Eine sehr entspannte und auch inspirierende Momentaufnahme.
Einen Raum weiter befindet sich der sogenannte Trocknungsraum. Ein Lüfter sorgt für konstante Luftfeuchte, damit die Seifen reifen und trocknen können. Bis zu 45 Tage dauert dieser Prozess und erst dann sind die Pflege- und Spezialseifen fertig. Je besser ein Stück verseift und je länger es trocknet, desto fester, ergiebiger und hochwertiger wird es. (Kleine Anmerkung von Bernadette: Großmutter legte die Seife erst einmal zwischen die Wäsche und sie wurde dann erst viel später benutzt…heute geht das wegen dem MHD für Naturkosmetik leider nicht mehr!)
„Seifen sind ein sehr einfaches Produkt, denn jeder ist in seinem Leben mit Seifen in Berührung gekommen und weiß, wie sie anzuwenden sind. Und auch in der Tierpflege wie etwa für Fell oder Pfoten sind sie wirklich sinnvoll.“
Immer mehr Hundehalter entdecken die Seifen als optimale Pflege für ihre Vierbeiner. Die Ansprüche oder auch Beschwerden von Hunden zum Beispiel haben sich über die Jahre ziemlich verändert. Ob rissige Pfoten oder trockene Nasen von French Bulldogs, die züchtungsbedingt auftreten, lassen sich mit natürlichen Produkten wie etwa von joveg gut pflegen. Oder auch die zunehmenden Unverträglichkeiten ihrer Hunde lassen Halter immer mehr nach natürlichen Pflegeprodukten suchen. Doch der Anfang war für Bernadette und ihren Tierseifen schwer. Der Gedanke, dass man einen Hund oder ein Pferd mit einer Seife pflegen kann, hat bis in die Köpfe der Halter mehr als fünf Jahre gebraucht. Hier war viel Aufklärungsarbeit notwendig. Heute kommen häufig Anfragen zu bestimmten Bedürfnissen wie „Mein Hund hat schuppige Haut“ oder „Mein Hund wälzt sich ständig in Aas“ und welche natürlichen Pflegemöglichkeiten bestehen. Eine Challenge ist natürlich die Trennung zwischen Menschen- und Tierseife. Es gibt ja auch Kunden, die sich schwertun, aus dem gleichen Shop eine Seife für sich zu kaufen, in dem es auch Seifen für Tiere gibt.
„Hundehaut ist empfindlicher als Menschenhaut. Sie ist ja auch geschützt durch das Fell.“
Die Deklarations- und Qualitätsvorschriften in Deutschland befinden sich allerdings in einer Grauzone. Fallen die Seifen für unsere eigene Pflege ganz natürlich unter die Kosmetikverordnung, greifen für Tiere die Regelungen nicht. Generell sind die EU-Verordnungen aber ziemlich streng und wiederum nicht. Zum Beispiel dürfen Nano-Partikel verwendet werden, wenn diese ausgezeichnet sind. (Redaktionelle Anmerkung: Alles unter 2 Prozent muss gar nicht deklariert werden.) Dafür darf aber zum Beispiel in Öl gelöster Rosmarin nicht verwendet werden, da sich durch das Öl Stoffe aus dem Kraut lösen könnten. Aber Rosmarin als Ganzes in der Seife, ist auf der anderen Seite kein Problem. Auch die vorher verwendete Pflanzenfarbe für das Einfärben der Seife ist nicht mehr zulässig. Seither setzt Bernadette auf mineralische Farben. Zwar hätte sie auch alternativ auf synthetische Farben zurückgreifen können, dann hätten ihre Produkte aber ihre Natürlichkeit verloren.
Gütesiegel
Doch nicht nur Veränderungen in den EU-Vorschriften können eine echte Herausforderung für das kleine Unternehmen sein. Auch der Wettbewerb unter sich packt mitunter harte Bandagen aus: Wie etwa kurz vor Weihnachten 2017, als sie aus heiterem Himmel eine anwaltliche Abmahnung von einem Konkurrenzunternehmen erhielten. Mit den bevorstehenden Feiertagen im Blick zählte sich die zehntägige Frist der Abmahnung gefährlich schnell runter. Denn nicht nur die Auflagen brachten Bernadette und Meike ins Rotieren, sondern auch die Tatsache, dass viele Anwälte so kurz vor Weihnachten einfach keine Zeit mehr für Mandate hatten.
„Und was wir dann alles machen mussten, davon hättest Du schon ein neues Startup gründen können.“
Von der Idee zur Marke
Was nehme ich von meinem Tag bei Bernadette und Meike mit?
Mein Tag mit Bernadette und Meike verging wie im Flug und ein bisschen wehmütig saß ich später im Zug zurück nach Berlin. Dafür aber nicht ganz ohne Gepäck – denn aus unserem sehr offenen und herzlichen Gespräch und den vielen kleinen Eindrücken aus der Manufaktur habe ich eine Menge für mich mitgenommen.
Jede Idee ist eine Chance!
Für jede Idee, die sich aus einem Herzenswunsch hervortut, lohnt es sich zu kämpfen.
Durchhaltevermögen!
Erfolg misst sich nicht an „Schneller-Weiter-Höher“. Manche Vorhaben brauchen ein bisschen mehr Anlauf und Zeit, sich in die richtige Richtung zu entwickeln. Wer aber nach links und rechts schaut, offen für Austausch und alternative Wege ist, wird bald mit dem besten Job der Welt belohnt.
Mut zur Lücke!
Nur weil alle anderen es genau so machen, muss es noch lange nicht der richtige Weg für einen selbst sein. Ihre Seifen labelt Bernadette nicht mit teuren Siegel wie andere. Dafür setzt sie auf Transparenz und lässt sich gern über die Schulter schauen.