In Balance: Meditation mit Hund

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ugegeben bin ich eigentlich nicht so der Yoga- oder Meditationstyp. Bewegung und Entspannung finde ich vor allem draußen in der Natur. Wenn ich am Wochenende mit Niko durch das Grün in und um Berlin streife, mich Stille und frische Luft erden, bin ich im völligen Einklang; ein bisschen atemlos in Vorausschau nach anderen Hunden und gelassen für den Rest das Tages.

Leben heißt die Balance zu halten.

Seit nunmehr einem Monat ist das nun gar nicht mehr so einfach. Warme Sonnenstrahlen und eine milde Frühlingsluft locken durch das große Fenster. Doch die Auswirkungen von COVID-19 haben auch vor unseren (Stadt-)Abenteuern nicht Halt gemacht. Homeoffice, kleine Hunderunden im Kiez und die stetig wachsende Ungewissheit über das, was die kommenden Monaten für uns bereithalten werden. Auf der Suche nach Routine folge ich nun einem Meditationsangebot auf Instagram. Die Resonanz aus der Community auf diese täglichen 30 gemeinsamen Minuten im Livestream war immens. Und so bin ich nun jeden Tag ab 18.00 Uhr auf dem Weg in meine Mitte. Natürlich begleitet von Niko.

Meditation mit Hunden?

Meditieren lässt sich ganz unterschiedlich und auch Vierbeiner können helfen, in den Augenblick zu finden. Ebenso kann er von der Entspannung seines Menschen angesteckt werden oder – als nächste Stufe des Miteinanders –  den Atem einander anzugleichen. Pünktlich um 09.00 Uhr starten wir in die Morgensession mit einfachen Atemübungen – vier Takte einatmen, zwei Takte halten und sechs Takte ausatmen. Diese Extended Exhales sollen mein Gedankenkarussell bremsen, erklärt unser Coach zu Beginn der geführten Meditation. Mit etwas Abstand hat sich Niko sein Plätzchen gesucht und beobachtet die Situation. Statt mit Kaffee im Bett und irgendeinem Gedudel im Hintergrund sitze ich nun aufrecht mitten auf dem Boden im Wohnzimmer; vor mir – wie ein kleiner Altar das Smartphone im Livestream.

Euer Atem wird Euch leiten. Mit ihm lernen wir, in den Gedanken innezuhalten, den Geist im Hier und Jetzt zu verankern.

Über meinen Atmen denke ich sonst nicht wirklich nach. Er ist einfach da, unauffällig im Hintergrund und irgendwie auch selbstverständlich. Wieviel Macht unser Atem jedoch hat, wird mir in seinem Rhythmus immer mehr bewusst: Einatmen, Atempause, Ausatmen, Einatmen, Atempause, Ausatmen – und so weiter. Sind wir gestresst, fällt die Atempause weg, ganz unbewusst. Im Dauerstress fällt meist gar nicht auf, dass sich die Ausatmung verkürzt und richtig abflacht. Ist man sich allerdings bewusst, dass Herzschlag, Blutdruck und Muskeltonus beim Einatmen ansteigen und beim Ausatmen wieder zurückgehen, wird klar, wie riskant eine permanente Kurzatmigkeit ist. Wir haben uns zu einer ziemlich atemlosen Gesellschaft entwickelt.

Eine Reihe von Studien zeigen, wie Meditation die Stressreaktionen unseres Körpers abmildert. Eine tiefe und langsame Atmung stimuliert den Vagusnerv, der sich vom Hirnstamm durch den Hals bis in den Bauchraum erstreckt und dort vielfältig verzweigt. Wird eben dieser Nerv angeregt, verlangsamt sich der Herzschlag; ein Gefühl innerer Ruhe breitet sich aus. Doch statt Balance erwartet mich eine Ernüchterung. Wer wie ich zum ersten Mal meditiert, macht oft eine gegenteilige Erfahrung: Die Gedanken rasen wie wild durch den Kopf. Von Ruhe gibt es keine Spur. Ein Punkt, an denen viele aufgeben, weil das gefühlte Chaos den Geist überfordert. Doch dabei ist genau das Teil der Übung: sich seines Gedankenstroms bewusst zu werden, um in eine andere Beziehung zu ihm zu kommen.

Niko in meine Meditation einzubeziehen, soll uns auf einer tiefen Ebene verbinden. Zusammen zur Ruhe kommen fördert nämlich Vertrauen, Verständnis und die Verständigung. Denn dadurch reduziert sich bei ihm ebenfalls das Stresslevel und diese gemeinsamen Momente wirken sich positiv auf unsere Bindung aus. Das bedeutet aber nun nicht, dass wir jetzt stundenlang in vollkommener Ruhe dasitzen. Diese Entspannungsroutine ist also nicht nur gut für mich, sondern auch für Niko und damit eine wertvolle Ergänzung in unserem Alltag.

Anleitung: So einfach ist das Meditieren mit Hund

Hunde sind tolle Begleiter. Sie sind lebendige, empathische, bewegliche und kluge Tiere. Sie erkennen Stimmungen und Emotionen und nehmen, wenn sie Lust haben, Kontakt auf – zu ihren Bedingungen.

Suche dir einen ruhigen und bequemen Platz, zum Beispiel auf dem Boden mit einem Kissen oder einer Decke. Lasse deinen Hund zu dir kommen. Bei den ersten Meditationen beäugte mich Niko anfangs etwas irritiert. Plötzlich spürte ich eine nasse Nase in meinem Gesicht. In anderen Momenten auffordernde Stupser in die Seite. Seinen aufmerksamen Blick spüre ich sogar durch meine geschlossenen Augen. Darauf nicht zu reagieren, fiel mir die ersten Male besonders schwer. Aber mit jeder weiteren Sitzung hat Niko verstanden, wie schön dieser Entspannungsmoment ist und welche positive Schwingung unser Wohnzimmer erfüllt. Mittlerweile macht Niko einfach mit – auf seine Art. Entweder legt er sich dabei ganz dicht neben mich oder rollt sich in seinem Körbchen ein und döst ein wenig.

Wer Lust hat, kann dann seinen Hund auch aktiver miteinbeziehen. Sanftes Streicheln vom Kopf bis zu den Hinterläufen bringt euch beide zur Ruhe. Bewegt sich der Vierbeiner oder steht sogar auf, ist das auch völlig in Ordnung.

Atemtechniken

Atmung ist der Schlüssel zur Entspannung. In der Praxis gibt es eine Vielzahl von Techniken, die sich einzeln oder auch als Kombination anwenden lassen. Ich stelle hier die beiden Techniken vor, die ich in meiner geführten Meditation kennengelernt habe und seitdem täglich übe.

Ocean Breath

Wer schon aktiv Yoga betreibt, kennt diese Technik auch als Ujjayi. Aufgrund des Rauschens, das eine korrekt ausgeführte Ujjayi-Atmung erzeugt, wird sie deshalb auch als Ocean Breath bezeichnet.

Und so gehts: Beginne langsam durch die Nase ein- und auszuatmen. Dann stelle dir vor, du würdest einen Spiegel anhauchen. In der Ujjayi-Atmung machst du genau das – allerdings mit geschlossenem Mund und durch den Hals. Am Besten versuchst du es zuerst in der Ausatmung. Fühlst du dich damit wohl, kannst du sie auch in die Einatmung integrieren. Wichtig: Das Geräusch soll wie ein leichtes Meeresrauschen klingen. Diese Atemübung funktioniert im Sitzen, Stehen und Gehen.

Dauer: 2 Minuten

Left Nostril Breathing

Du spürst eine Wut aufkommen; starke Gefühle wühlen dich auf? Das Atmen durch das linke Nasenloch beruhigt das Nervensystem auf sehr leichte und effiziente Weise.

Und so gehts: Setze dich aufrecht hin, schliesse deine Augen und das rechte Nasenloch mit dem rechten Zeigefinger. Achte darauf, dass du dabei nicht zu viel Druck ausübst, sondern dass die Luft nur noch durch das linke Nasenloch strömt. Jetzt langsam Ein- und Ausatmen.

Dauer: 1 Minute

Mich auf meine Atmung zu konzentrieren, war auf Anhieb gar nicht einfach, wenn ich plötzlich ein leichtes Schnaufen in meinem Nacken spürte und ein leichtes Stupsen zum Spielen aufforderte. „Atme so lange ein, wie du ausatmest.“ – tönt es mantraartig aus meinem Smartphone. Auch wenn du das Gefühl hast, dass du nicht abschalten kannst, sich dein Gedankenkarussell immer weiter dreht: Das ist völlig normal! Nimm es für dich wahr, aber bewerte es nicht. Schieb die Gedanken beiseite und richte deinen Fokus wieder auf die Atmung – und je nachdem auf das Streicheln deines Hundes.

Unsere Meditation beginnen wir jeden Tag mit einer kleinen Einführung. Unser Coach erklärt die verschiedenen Methoden und erzählt von seinen Erfahrungen. So in die Meditation geführt zu werden, hat mir den Einstieg sehr viel einfacher gemacht. Irgendwann kann ich dann auch die Welt für Niko und mich kurz abschalten. Denn achtsam zu sein bedeutet, ganz im gegenwärtigen Moment zu leben. Ob beim Anstehen an der Kasse im Supermarkt, beim Auspacken der Einkäufe oder Ausräumen der Spülmaschine. Ich spüre, wie meine Füße fest auf dem Boden stehen, befühle die Materialien der Gegenstände in meiner Hand und folge meinem Atem. Allerdings gehören auch negative Gefühle dazu. Anstatt sie zu verdrängen, sollten sie als etwas Gegebenes ihren Platz finden. Wenn das gelingt, wird der Geist klar und ruhig.

Warum ich das gerade jetzt ausprobiere?

Die aktuelle Situation hat den Alltag von uns allen sehr durcheinander gewirbelt. Viele Situationen sind für uns neu, die nahe Zukunft nicht vorherschaubar. Auch bei mir wächst mit jedem Tag die Unsicherheit. Nicht zuletzt auch beeinflusst durch die vielen Negativschlagzeilen in den Medien. Bereits morgens fühle ich mich unentspannt und mental verknittert. Mir fehlt Motivation, meine Knochen scheinen Blei zu wiegen. Da helfe nur Yoga, meinte eine Freundin. Und so einige Anläufe habe ich bereits hinter mir: Schnupperkurse in Studios, Kurse auf Onlineportalen; sogar eine Meditations-App habe ich mir schon heruntergeladen. Nun musste es aber sein.

Bereits ein paar Minuten am Tag reichen aus, um positive Effekte zu erzielen. Meditation ist allerdings kein Wundermitteln, sondern ein Weg, sich durch regelmäßiges Üben auf sich selbst zu besinnen.

Es ist sehr beruhigend, dass es keineswegs darauf ankommt, wie häufig und lange meditiert wird, sondern die Übungspraxis flexibel an die eigene Lebenssituation anzupassen. Manchmal versuche ich es, wenn Niko neben mir tief und fest schläft. Dann lausche ich seinem gleichmäßigen Atem und steige in diesen Rhythmus ein. Irgendwann schlafe ich dabei selbst ein.

Meditierend auf Hunderunde

Auch unterwegs lässt es sich wunderbar meditieren. Hier verschmelzen Bewegung und Meditation zu einer Einheit. Sobald Niko ruhiger an der Leine läuft – momentan ist er aufgrund der Quarantäne ziemlich aufgedreht, sobald es nach draußen geht – verlangsame ich unser Tempo und lenke meine Aufmerksamkeit ganz auf Schritte und Atmung. Wie fühlt es sich an, den Fuß aufzusetzen? Was passiert mit mir, wenn ich das Gewicht verlagere? Wie viele Schritte gehe ich beim Ausatmen? Mit etwas Übung führt dieses achtsame Gehen zu weniger Stress und letztendlich auch zu einem entspannterem Spaziergang.

 

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