Eine Stadt der Tiere: Tierschutz im größten Tierheim Europas
n diesem Sonntag scheint die Sonne relativ warm für einen Septembertag. Ungeduldig stehe ich an der Bushaltestelle. Nur alle 20 Minuten fährt der Bus vom S-Bahnhof Hohenschönhausen in Richtung Hausvaterweg. Hoffentlich werde ich es pünktlich schaffen. Sollte ich vielleicht laufen? Dafür ist der Weg dann doch zu lang und würde mir keine Zeitersparnis einbringen. Endlich - Haltestelle Hausvaterweg. Mit zügigem Schritt in die kleine Seitenstrasse eingebogen war vom Tierheim noch nichts zu sehen. Wie ein Schwarm ziehe ich gemeinsam mit einigen anderen Gleichgesinnten vorbei an Einfamilienhäusern, einem Fußballplatz und großzügigen Weideflächen. Vom Tierheim noch immer nichts zu sehen. Sind wir überhaupt richtig? Ich strenge mich an, ob nicht irgendwo Hundegebell diese sommerliche Ruhe durchbricht. Idylle und Vogelgezwitscher in der Luft. Eilig laufe ich voran. Am Ende der Straße empfängt uns ein riesiger Parkplatz und wir sind endlich angekommen.
Punkt 13.30 begrüßt eine ehrenamtliche Mitarbeiterin (ich habe leider ihren Namen vergessen) die mittlerweile beachtliche Runde auf dem Sammelplatz am Infopoint. Seit über acht Jahren führt sie im Namen des Tierheims Interessierte über das Gelände und ist beeindruckt, dass sich heute knapp 50 Interessierte zusammengefunden haben, mit ihr gemeinsam hinter die Kulissen des Tierheims zu schauen. Doch da unsere Gruppe im wahrsten Sinne des Wortes den Rahmen sprengt, werden wir aus Rücksicht auf die Tiere nicht in allen Tierhäusern hineinschauen können. Verständlich! Also freue ich mich auf die vielen spannenden Geschichten drumherum.
So groß wie 22 Fußballfelder
Insgesamt 65 Millionen DM kostete der Bau des Tierheims. Auf einer Fläche von rund 18.500 Quadratmeter Fläche wurden 17.000 Kubikmeter Beton verbaut. Die imposant anmutenden Wasserbecken sind eigentlich Löschteiche. Sie trennen den Hundebereich von den übrigen Tierhäusern und dehnen sich auf 6.000 m² aus.
Auf dem Gelände einer ehemaligen Schweinemastanlage erstreckt sich ein Bau der Superlative: vier große Katzenhäuser, sechs große Hundehäuser mit großem Auslaufgebiet und Spielmöglichkeiten, ein Haus für Kleintiere, ein Vogelhaus sowie ein großes Gehege für freilebende Katzen. Auf einem Tierschutz-Bauernhof für ehemalige Nutztiere tummeln sich Schweine, Ziegen, Schafe, Gänse und Hühner. Und selbst für Exoten wie Reptilien oder Affen ist hier Platz. Eine eigene Tierarztpraxis mit angeschlossener Klinik kümmert sich um das gesundheitliche Wohl der Bewohner. Für Katzen und verletzte Wasservögel gibt es sogar zusätzliche Notstationen. Und etwas am Rande des Areals finden die Tiere auf einem eigenen Friedhof ihre letzte Ruhe.
Mehr als 120 Menschen, darunter 75 Pfleger, kümmern sich um die 12.000 Bewohner. Doch ohne die vielen ehrenamtlich helfenden Hände wäre die Arbeit nicht zu schaffen.
Fundtiere fallen in die Verantwortung der Stadt
Kaninchen, Graupapageien und Tauben, Tierarztpraxis – nächster Stopp „Fundtiere“. Wie alle anderen Tierheime in Deutschland erhält auch das Tierheim in Berlin keinerlei Förderung von staatlicher Seite. Da musste ich schwer schlucken. Anders sieht es wiederum bei Fundtieren aus: Pro Tag werden rund xx kleine Ausreißer oder Streuner aufgegriffen – Fundtiere werden zunächst von der Amtlichen Tiersammelstelle aufgenommen, die dem Bezirksamt Lichtenberg angeschlossen ist. Hat sich nach fünf Tagen noch kein Halter dort gemeldet, wird das Tier für weitere 30 Tage in die Obhut des Tierheims gegeben. Und genau hierfür kommt die Stadt Berlin jährlich mit knapp 700.000 Euro auf.
Nicht immer kommt es hier zu einem Happy End. Im Schnitt bleibt ein Fundhund bis zur Vermittlung im Schnitt 74 Tage. Katzen warten im Schnitt 52 und Exoten sogar 160 Tage.
Wer sein Tier vermisst, sollte sich unbedingt unter 030. 76 888 201 oder via E-Mail unter tiersammelstelle@tierschutz-berlin.de im Tierheim melden!
Auch ein Tierheim mit dieser Größe kann nicht immer alle Tiere aufnehmen. Der Tierschutzverein für Berlin arbeitet im Rahmen des Deutschen Tierschutzbundes mit vielen anderen Tierschutzvereinen bundesweit zusammen. Bei akuter Überfüllung wird versucht, die Tiere entweder in Pflegefamilien oder bei anderen Vereinen, die gerade Platz für bestimmte Tierarten haben, unterzubringen.
Weiter geht’s und wir bleiben noch einigen Gehminuten an einem Außengehege stehen. Durch den Sichtschutz lässt sich nur erahnen, wer sich hinter dem Zaun auf dem Rasen sonnt. Knapp 70 Straßenkatzen teilen sich hier Körbchen, Kratzbaum und natürlich unzählige Verstecke. Wir erfahren, dass auf den Straßen Berlins viele Katzen leben – unfreiwillig oder bereits in dieses Leben geboren. Die Populationen werden vor Ort vom Tierschutz überwacht. Doch nicht immer können die Katzen dort bleiben. Vor allem die vielen Baustellen zwingen das Tierheim, die Straßenkatzen aufzunehmen. Ist es möglich, sie später an ihrem angestammten Platz wieder auszusiedeln, werden sie tatsächlich wieder in ihr altes Leben entlassen. Das ist aber nicht immer der Fall und die Katzen werden behutsam auf ein mögliches Zusammenleben mit Menschen vorbereitet. Einige Katzen sind besonders ängstlich und scheu. Wer hier helfen möchte, kann sich als Streichelpate engagieren.
Unterricht für die Tierschützer von morgen
Tiere sind empfindsame Lebewesen und brauchen unseren besonderen Schutz. Um vor allem Kinder und Jugendliche für einen respektvollen Umgang mit Tieren zu sensibilisieren und als Grundstein für eine positive Kind-Tier-Beziehung stehen im Tierheim verschiedene Unterrichtsformate und Angebote auf dem Stundenplan. In einem gemütlichen Holzhaus auf dem Gnadenhof lernen die Kinder, wie wichtig ein verantwortungs- und liebevoller Umgang mit Tieren ist. Gemeinsam mit einer Pädagogin lernen sie Grenzen zu akzeptieren und ein Verständnis, Mitgefühl und Toleranz gegenüber anderen Lebewesen zu entwickeln.
Berliner Rahmenlehrplan und Naturpädagogik gehen hier Hand in Hand mit dem Ziel Kindern und Jugendlichen in allen Altersstufen umfangreiches Wissen über die Situation der Tiere zu vermitteln, Missstände aufzuzeigen und Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Verantwortung hat ihren Preis
Tierheim ist nicht gleich Tierheim – neben den städtischen gibt es nämlich auch die vereinsgeführten Heime, so wie auch das Tierheim Berlin. Eine der herausforderndsten Aufgaben des dahinter stehenden Tierschutzverein für Berlin und Umgebung Corporation e.V. ist die Finanzierung der laufenden Kosten. Mehr als 8 Millionen Euro kommen pro Jahr zusammen, für Medikamente und tierärztliche Versorgungen, die Bezahlung der Mitarbeiter sowie die Instandhaltung des Geländes und der Gebäude mitsamt der Nebenkosten. Kosten, die von den Tierheimen generell allein gestemmt werden müssen! Kein Wunder also, dass die Vereine auf fremde Hilfe von außen angewiesen sind. In Berlin übernehmen einen großen Anteil hiervon Nachlässe, Spenden und Mitgliedsbeiträge der rund 15.000 Mitglieder. Aber auch Abgabe- und Vermittlungsgebühren (nicht kostendeckend) und Sachspenden leisten einen unmittelbaren Beitrag. Für die Versorgung der hungrigen Mäuler werden täglich enorme Mengen an Futter benötigt. Zubehör, egal ob Decken, Näpfe, Kratzbäume oder Kauspielzeug, werden ebenfalls dankend angenommen.
800 Menschen helfen ehrenamtlich!
Zeit ist ein sehr wertvolles Gut. Und auch im Tierheim wäre ohne die vielen Zeitspender ein Betrieb in dieser Form nicht mehr möglich. Die Möglichkeiten sind ziemlich breit gefächert – vom „klassischen“ Gassigehen, über Hilfe in den unterschiedlichen Häusern bis hin zu Pflegestellen und Nachkontrollen in den Adoptivfamilien. Aber auch die Betreuung der Besucher und Führungen über das Gelände, die Betreuung der regelmäßigen Trödelmärkte oder Unterstützung im Kinder- und Jugendtierschutz. Die AG Katzenschutz kümmert sich zum Beispiel um freilebende Katzen im Berliner Stadtgebiet. Zur Betreuung kontrollierter Futterstellen sowie insbesondere zum Einfangen der Katzen, entweder für eine Kastration oder zur medizinischen Behandlung wird dringend Hilfe benötigt!