Über 100.000 Hunde leben schätzungsweise in Berlin. Obwohl laut Statistik die Mehrheit der Vierbeiner eher in den Randbezirken zu Hause ist, ist besonders im Friedrichshain, Kreuzberg oder Neukölln die Dichte der Hundehaufen bemerkenswert. Ein Bild von unserem heutigen Spaziergang über das Tempelhofer Feld. Leider nicht gestellt:
Doch nicht nur über die Frage des Aufhebens oder Liegenlassens scheiden sich die Gemüter, sondern auch über das Womit. Denn mit bis zu zwei großen Geschäften pro Tag und dem dazu notwendigen Verbrauch von Kottüten ist Nikos CO2-Bilanz nicht gerade vorbildlich. Aber was raus muss, muss auch raus dürfen – ohne schlechtes Gewissen. Dass Kottüten aus Bio-Plastik dafür keine vermeintlich gute Lösung sind, habe ich in meinem Gespräch mit Christian Salzmann von ThePooPick gelernt:
Hinter jedem cleveren Produkt, stecken kluge Köpfe. Christian, wer gehört denn zum Team PooPick?
Eigentlich sind wir ein Trio. Entwickelt wurde die Idee von einem Vater-Sohn-Gespann. Mein Chef aus einer anderen Firma ist vor allem finanziell beteiligt. Und ich kümmere mich nun hauptsächlich um das Projekt und die Weiterentwicklung des Produkts.
Aus welchen Werten heraus habt ihr den PooPick entwickelt?
Vor allem wollen wir Tierhaltern den nachhaltigen Umgang mit ihren Tieren ermöglichen. Unter diesem Leitsatz steht bei uns einfach alles: Uns ist zum Beispiel wichtig, eben kein Produkt aus China zu beziehen Daher entsteht unser Produkt komplett in Deutschland. Außerdem verwenden wir für den PooPick 70 Prozent recyceltes Papier. Das ist der höchstmögliche Anteil, um eine einwandfreie Aufnahme des Hundekots zu gewährleisten. Die restlichen 30 Prozent kommen von frischem Papier, dass wir als Rest aus der Möbelindustrie beziehen. Denn frisches Papier besitzt eine wesentlich festere Struktur als Recyclingpapier. Nur so können Flüssigkeiten bzw. Durchfall auch sicher aufgenommen werden.
„Uns ist es wichtig, ein Produkt anzubieten, dass alle Bedürfnisse während des Gassigangs abdeckt und einen Sinn erfüllt.“
Für unseren PooPick muss also kein Baum gefällt werden. Wir sind FSC-70 zertifiziert (Anm. Redaktion: Das Forest Stewardship Council (kurz FSC) wurde 1994 von Umweltverbänden, Wirtschaftsunternehmen und Gewerkschaften mit dem Ziel gegründet, durch weltweit einheitliche Standards eine nachhaltige Forstwirtschaft zu gewährleisten) und nutzen ausschließlich wasserlösliche Farbe, die unbedenklich ist für die Umwelt und entsprechend zertifiziert ist. Für den Zusammenhalt der Wellpappe wird ein Kleber aus Kartoffelstärke verwendet. Damit ist der PooPick auch komplett vegan.
Bei der Produktion setzen wir auf lokale Partner. Gedruckt wird der PooPick in einer Druckerei in Mayen und anschließend in den Nordeifel-Werkstätten zusammengefaltet und klimaneutral versendet. Um schnellen Profit geht es uns nicht. Wir wollen etwas nachhaltiges und zukunftsorientiertes aufbauen. Allein ein Blick in die Medien zeigt mir das jeden Tag. Überall in den Nachrichten wird irgendetwas mit Plastikmüll erwähnt. Wie aktuell in Potsdam.
Ab 01.01.2019 verbietet die Stadt Potsdam biologisch abbaubare Plastiktüten. Diese werden von der Müllabfuhr nicht mehr abgeholt. Parallel hat die Stadtverwaltung auch eine Empfehlung für Berlin ausgesprochen.
Warum habt ihr euch für eine Lösung aus Wellpappe entschieden?
Mittlerweile gibt es in nicht unerhebliches Angebot an kompostierbaren Plastiktüten. Diese haben allerdings nur einen Anteil von nachwachsenden Rohstoffen, der im Bereich von 10 bis 30 Prozent liegt. Günstige Anbieter liegen bei 10 Prozent; sogenannte Premiumanbieter kommen auf 30 Prozent. Die werden trotzdem fast ausschließlich in Asien oder auch in Südamerika produziert. Allein der Co2-Footprint für die Logistik ist entsprechend hoch. Für die Produktion muss wiederum Ackerfläche bereitgestellt werden. Entsprechende Nutzung von Wasser kommt ebenfalls hinzu. Der Mais könnte alternativ ja auch für Lebensmittel oder auch für die Fütterung von Tieren verwendet werden. Und der Rest ist schlichtweg Plastik, sprich Erdöl und Chemie.
Eine Bio-Plastiktüte ist letztendlich immer noch eine Plastiktüte.
Im Wald oder freien Natur dürfen auch diese Tüten auf keinen Fall landen. Die Realität sieht leider oft anders aus. Sie sind laut Aussagen und OK-Home-Siegel ja kompostierbar. Das bedeutet, innerhalb von drei Monaten müssen 90 Prozent weg sein. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was ist mit den restlichen 10 Prozent? Und da kommen wir wieder auf Mikroplastik, denn letztendlich nur weil es augenscheinlich weg ist, ist es ja nicht weg. Aber auch auf dem Kompost haben die Kotbeutel, entgegen jeder Annahme, nichts zu suchen. Das liegt nicht nur an der Zusammensetzung des Beutels, sondern auch am Inhalt.
Aber Hundekot ist doch eigentlich biologisch?
Grundsätzlich ja, aber keiner kann mit Sicherheit sagen, was sich in dem Kot seines Vierbeiners befindet. Die grundsätzliche Empfehlung ist, dass jeglicher Hundekot verbrannt werden soll (also über den regulären Müll/Hausmüll zu entsorgen ist). Es hat ja auch einen Grund, warum es für die Ausscheidungen von uns Menschen über Kläranlagen gibt. Während wir hier sprechen, schaue ich aus dem Fenster auf einen Baum. Hinterlässt hier ein Hund seinen Kot, geht der nächste mit der Schnauze dran und trägt die Bakterien oder Keime weiter – zu anderen Tieren und Menschen. Übertragungen sind also nicht ausgeschlossen. Oftmals wird argumentiert, dass der Kot von zum Beispiel Enten ja auch weggemacht werden müsse. Im Prinzip ja – aber kaum jemand bedenkt hier, dass sich Enten von Natur aus rein pflanzlich ernähren. Chemisch bearbeitetes Futter wie industrielles Hundefutter schließt sich aus. Und selbst wenn du barfst, kommt es wieder von Tieren, die wiederum irgendwelches Futter bekommen haben. Nur weil du barfst, heißt es also nicht, dass der Kot des Hundes astrein ist.
Unser PooPick ist zu 100 Prozent kompostierbar – was er defacto als Holzprodukt auch ist. Wir sagen aber auch immer dazu, dass der Hundekot generell bitte in den Hausmüll gehört. Und dort verbrennt der PooPick klimaneutral. Das Holz im PooPick setzt während der Verbrennung eben soviel CO2 frei, wie der Baum zu seinen Lebzeiten aufgenommen hat. Anstatt wie bei einer herkömmlichen Plastiktüte und einer Bio-Tüte, also der Plastiktüte light, Chemie und Erdöl zu verbrennen und damit auch den Treibhauseffekt ankurbeln.
Von der Herstellung bis zur Verwertung versuchen wir, so nachhaltig wie möglich zu sein.
Wie habt ihr den PooPick entwickelt?
Ungefähr acht Monate haben wir für die Produktentwicklung mit diversen Tests gebraucht. Es sind unterschiedliche Prototypen entstanden, von der Zusammensetzung, der Mechanik und der optimalen Größe. Das Besondere: Der PooPick ist im eigentlichen Sinne eine Hundekotschaufel. Wie ein Bagger wird der Kot in den PooPick reingeschaufelt. Und durch die Stabilität der Wellpappe hat man überhaupt keinen Kontakt zum Hundekot. Also ganz anders als bei den Kotbeuteln. Und ein wesentlicher Vorteil, wenn zum Beispiel auch Durchfall aufgenommen werden muss. Auch für die Suche nach den passenden Partnern brauchte es etwas Zeit. Gibt es überhaupt optimale Partner in der Nähe? Können sie das, was wir uns wünschen, überhaupt umsetzen? Wie sieht das preislich aus? Wir liegen ja deutlich über dem einer Plastiktüte. Warum das so ist, ist vielen auch klar, wenn ich mit ihnen darüber spreche. Inzwischen bieten wir zwei Größen an: bis 25kg und über 25kg. Eine dritte, wesentlich kleinere Größe ist derzeit geplant und ist Teil unserer Kickstarter-Kampagne.
Wie habt ihr die Materialien ausgesucht?
Abgesehen von der problematischen Zusammensetzung der Bio-Plastiktüten ist auch deren Haltbarkeit kritisch. Diese Plastiktüten werden irgendwann brüchig. Es gibt sogar eine Art Haltbarkeitsdatum von circa 12 Monaten.
Ich bin der Überzeugung, dass sich in zehn Jahren die Verwendung von Plastik drastisch verändert haben wird.
Im vergangenen Sommer testeten wir unbehandelte Pappe. Auf einem Grasschnitt mit gelegentlichen Regenschauern hatte sich die Pappe tatsächlich vollständig zersetzt. 4,5 Tonnen CO2 konnten wir seitdem einsparen. Klingt erst einmal nach einem riesigen Erfolg. Allerdings liegt der durchschnittliche CO2 Verbrauch eines jedes Deutschen pro Jahr zwischen sieben und acht Tonnen! Wahnsinn, oder? Es gibt also noch viel zu tun und unsere Pläne für 2019 sind entsprechend hochgesteckt!
Müssten da nicht auch Städte und Gemeinden mit ihren Tütenspendern Vorbild sein?
Tatsächlich sind wir mit verschiedenen Verwaltungen bereits im Gespräch. Die Plastikproblematik der Kottüten ist bei vielen schon auf der Agenda und es wird nach Lösungen gesucht.
In fünf Jahren wird es keine Plastiktüten für Hundekot mehr geben!
Allerdings ist das natürlich auch eine Kostenfrage, die sich zum Beispiel in Kombination als bedruckbare Werbefläche für Unternehmen umsetzen ließe. Schon in der Produktion sind wir ziemlich weit von den Kosten einer Plastiktüte entfernt. Kosten, mit denen sich man angesichts der ökologischen Verantwortung auseinandersetzen muss. Frankreich ist da unter anderem ein gutes Vorbild: Ab 2025 wird es kein neu produziertes Plastik mehr im Handel geben. Oder in Schwellenländern wie Ecuador oder Haiti – Plastik ist hier schon komplett verboten! Und was sich dort bewährt hat, muss doch auch bei uns funktionieren!