Schon über zwei Jahre mit Hund! Vieles hat sich verändert, einiges sich verabschiedet. Aber nur in meinem Alltag?
Nee, denn wenn ich mich mein Spiegelbild betrachte, fühle ich mich heute irgendwie anders als vor – sagen wir – drei Jahren. Ereignisse und Begegnungen haben ihr Übriges getan, aber einen wirklich erheblichen Teil darf der Pudel für sich verbuchen. Neben eher unscheinbaren Dingen (ich bin jetzt viel häufiger im Wald und tatsächlich haben neuerdings auch Gummistiefel ihren Weg in meine Garderobe gefunden) hat sich in einigen Punkten meine Einstellung deutlich gewandelt:
Vom Besitzer zum Halter
Ein gesunder Respekt zu Tieren gehört für mich zu einer guten Lebenseinstellung dazu. Ich bin wirklich froh, dass ich meine Kindheit inmitten des kleinen „Bauernhofes“ meiner Großeltern verbringen durfte: Hühner, Enten, Kaninchen, Hunde, Katzen und auch Pferde durfte ich in ihrem Wesen und ihrer Pflege kennenlernen. Und nicht zu vergessen meine beiden Frettchendamen Biene und Maja. Ein artgerechtes und verantwortungsvolles Halten war für mich zwar immer selbstverständlich, aber was das eigentlich genau bedeutet und wie weit das geht, darüber hatte ich mir als Kind und Jugendliche doch recht wenig Gedanken gemacht. Mit Niko ist es heute anders – das fängt schon damit an, dass ich den Begriff „Hundebesitzer“ für mich persönlich ablehne. Besitz ist für mich etwas materielles und in meinen Augen nicht mit Lebewesen vereinbar. Ich besitze zwar mein eigenes Leben, habe aber keinen Anspruch auf andere Leben. Wenn ich meine Haltung anderen erkläre, sage ich meistens, dass Niko quasi bei bzw. mit mir lebt und ich für ihn die Verantwortung trage. Echter Respekt geht für mich ein bisschen weiter als Streicheln, gutes Futter und ein warmes Körbchen. Tiere sind für mich gleichberechtigte Lebewesen, ohne die unserer fragiles Ökosystem nicht funktioniert.
Wenn ich also ein Wort für mich finden müsste, käme „Halterin“ dem ziemlich nah, obwohl es da sicherlich noch treffendere Varianten gibt.
Familienmitglied auf „Augenhöhe“
Ja ja, Menschen, die eher weniger mit Tieren anfangen können und auch mit keinem zusammenleben, belächeln ziemlich häufig die Einstellung, dass Vierbeiner oder andere Hausgenossen wichtige Familienmitglieder sind. Ok, sich selbst als Dog Mom zu bezeichnen, ist auch für mich sehr befremdlich. Da geht mir die Vermenschlichung der Fellfreunde etwas zu weit. Niko ist für mich weder Menschen- noch Kinderersatz, sondern ein Lebewesen, das ich aus einer Notsituation heraus adoptiert habe und mit dem ich nun meinen Alltag teile. Ich empfinde Niko gegenüber eher eine große Verantwortung, denn er hat sich ja nun nicht aus freien Stücken ausgewählt bei mir zu leben und kann sich sich gewisse Dinge im Leben nicht aussuchen.
Elternabend, nur anders
Der Vergleich zwischen Hunden und Kindern hinkt schon an gewissen Stellen, aber dennoch lassen sich einige Gemeinsamkeiten nicht wegwischen. Kurze Nächte in der Welpenzeit, Verzweiflung in den Pubertätsphasen, immer ein wachsames Auge auf Spaziergängen. Und noch etwas eint Hundemenschen mit Eltern: Für jede kleinste Frage gibt es teilweise stark differenzierte Meinungen, die regelmäßig die Foren oder auch Gespräche auf dem Hundeplatz zum Kochen bringen: Das fängt bei der vermeintlich richtigen Ernährung an, spaltet sich in der „Impfen – ja/nein“-Frage, lieber Halsband oder doch Geschirr, die Notwendigkeit von Anziehsachen und und und. Hinter jeder Ecke lauern Fettnäpfchen und mahnenden Stimmen. Das fing mal ganz harmlos an, als mich auf einer Mittagsrunde ein Mann ansprach und meinte, dass Halsbänder auf Dauer nicht gesund für den Hund sein würden. Ein anderes Mal erklärte mir eine ältere Dame im Vorbeigehen, dass sie Nikos Geschirr nicht so optimal findet und empfahl mir unbedingt ein Halsband. Es gipfelte darin, als mir ein Halter von drei Ridgebacks auf dem Hundeplatz erklärte, dass ich Nikos starkes Schnüffelinteresse an der Damenwelt am Besten damit unterbinde, dass ich sofort die Leine nach ihm werfe, sobald er versucht, aus dem Schnüffeln aktive Taten folgen zu lassen. Er forderte mich dann vor versammelter Haltermannschaft auf dem Platz auf, dies sogleich vor Ort zu üben. Sorry, aber das entspricht nicht meinem Stil. Lieber gehe ich dann mit Niko vom Platz, sollte sich sein Interesse zu stark steigern, als etwas nach ihm zu werfen. Ich möchte ja auch nicht, dass jemand Sachen nach mir wirft, wenn derjenige denkt, ich mache etwas falsch.
Intoleranz
Begleitet Dich ein Vierbeiner, merkst Du auch relativ schnell, wer mit Dir auf der same page ist und wer nicht. Mit seinem Charme und seiner handlichen Größe kann ich negative Vorfälle zum Glück an einer Hand abzählen – von Alltagsquerelen mal abgesehen. Denn Menschen schauen fast nie ein paar Zentimeter nach unten – ob zum Beispiel in der vollen Bahn ein Hund versucht, zwischen all den vielen Beinen, Gepäckstücken und Kinderwagen sicher und einigermaßen ruhig die Bahnfahrt hinter sich zu bringen. Für seine Fahrten in den Öffis muss ich mitbezahlen, daher finde ich es eigentlich nur logisch, dass andere auch darauf Rücksicht nehmen, dass er in Ruhe seine Fahrt fortsetzen kann, ohne irgendwelche Taschen auf den Kopf zu bekommen, von Karren oder Rollkoffern angefahren oder tatsächlich – auch das – einfach so angefasst zu werden. „Oh wie niedlich“ tönt es nämlich ganz häufig. Es werden Fotos gemacht, kleine Hände machen sich auf den Weg in sein Fell oder er wird durch Schnalzen angelockt. Alles ohne zu fragen und mal ehrlich, wie creepy würde man mich finden, wenn ich das Gleiche bei Kindern abziehen würde?
Bisheriger Höhepunkt war allerdings ein Vorfall im Bus mit einer jungen Mutter. Niko war da erst ein paar Monate bei mir und auch noch relativ klein. Obwohl wir mindestens einen Abstand von anderthalb Metern zum besagten Kinderwagen hatten, rümpfte die Mutter die ganze Zeit ihre Nase und schaute uns missbilligend an. Niko würde stinken und sie hätte Angst, dass er ihrem Kind zu Nahe kommt. Ich versicherte ihr mehrmals, dass ich aufpassen würde, dass genügend Abstand bleibt. Aber die Beleidigungen wurden schlimmer und die Stimmung war auf dem Siedepunkt, als ich Niko schließlich auf dem Arm nahm. Duzend unterstellte sie mir dann ein Klischee nach dem anderen – er dürfe bestimmt auch von meinem Tisch essen und wahrscheinlich auch mein Bett teilen. Ich hoffe, dass irgendwann solche Begegnungen einfach in Sekundenschnelle an mir abperlen und ich sie beflissentlich ignorieren kann. Aber daran arbeite ich noch.
Neues im Einkaufskorb
Und noch etwas hat sich bei mir verändert: Fleisch landet schon ziemlich lange nicht mehr in meinem Einkaufskorb. Auf so einige Milchprodukte und leider auch Eier konnte und wollte ich allerdings bis dato nicht wirklich verzichten. Etwas mehr Bio, weniger Konservierungsstoffe und mehr natürliche Zutaten – waren mir schon vor Nikos Adoption wichtig. Doch seitdem er da ist, habe ich teilweise ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal Eier kaufe (die ich auch mit ihm teile) oder ich dem Heißhunger auf Eis und Desserts nicht mehr widerstehen kann. Niko ist natürlich keine Kuh und auch kein Huhn und er lebt ein ganz anderes Leben. Aber ich kann dazwischen nicht so einfach differenzieren und auf der einen Seite sagen, ich bin Tierliebhaber und auf der anderen Seite Produkte genießen, für die Tiere in der Massenproduktion der heutigen Gesellschaft leiden.
Um die Eingangsfrage zu beantworten:
JA!
Niemand ist perfekt und es gibt auch nicht den EINEN Weg und die EINE richtige Meinung. Was mich Niko am meisten gelehrt hat, ist es genauer und bewusster hinzuschauen, Dinge zu hinterfragen und auch mal anders zu machen und vor allem eine neue Verantwortung zu entwickeln.