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aum ein Tier begleitet uns so durch den Alltag und ist dadurch automatisch unseren gesamten Stressfaktoren ausgesetzt, wie es unsere Hunde tun. Auch bei artgerechter Haltung leben Hunde in einer von Menschen gemachten Welt mit unzähligen (unnatürlichen) Reizen. Gerade Hunde sind sehr feinfühlige Lebewesen mit großem Gespür für ihre Umwelt. Geringe Veränderungen nehmen sie viel verstärkter wahr, als wir Menschen es tun. Das sprichwörtliche hundemüde sein kommt daher nicht irgendwo her. Denn der Hund hat ein ausgeprägtes Schlafbedürfnis. Seiner Abstammung nach nutzt er jede freie Minute, um Energie zu gewinnen, um jederzeit bereit zu sein, nach Nahrung zu jagen oder den Feind in die Flucht zu schlagen. Doch wie viele Ruhestunden am Tag sind normal? Und was kann die Ursache sein, wenn der Vierbeiner gar nicht schlafen will?

Zwischen 17 und 20 Stunden braucht und nimmt sich ein ausgewachsener Hund täglich für Schlaf und Ruhephasen. Welpen, Junghunde aber auch ältere und kranke Vierbeiner benötigen sogar bis zu 22 Stunden am Tag.

Ruhephasen und Schlaf sind wichtig, im Alltag – zu Hause, unterwegs oder im Büro.

Unsere Hunde sind jeder für sich eigenständige Individuen mit sehr individuellen Bedürfnissen. Als unsere Begleiter ist der gemeinsame Alltag von starker Nähe zueinander bestimmt.

Dennoch sind Freiräume und die damit einhergehende Ruhe für beide Seiten wichtig; so wie in jeder ausgeglichenen Beziehung. Denn ein normaler Arbeitstag in Vollzeit kann inklusive Hin- und Rückweg und etwaigen Erledigungen nach Feierabend ein echter Marathon für den Vierbeiner werden.

Abschalten ist ein großes Thema in der Hundewelt.

Zieht sich der Arbeitstag wie Kaugummi in die Länge, kann das in einer Belastungsprobe enden: Bewegungsreize werden intensiver wahrgenommen, Mülleimer auf der Suche nach essbaren Schätzen ausgeräumt, Besucher verbellt oder gar nicht erst durch die Tür gelassen. Das wirft die Frage nach einer guten Grunderziehung auf und einem bereits strukturierten Alltag.

Da unsere Gesellschaft sehr vom Leistungsgedanken geprägt ist, fällt es uns mitunter schwer, den Gedanken Mein Hund leistet zu wenig im Sinne von Er wird nicht genügend beschäftigt abzulegen und den Vierbeiner nicht ständig mit Aufmerksamkeit zu überschütten. Häufig lässt ein schlechtes Gewissen nicht lange auf sich warten, wenn der Terminkalender des eigenen Hundes leer bleibt.

Begriffe wie Hibbelhund, ADHS, Hochsensibilität, Depression, Distanzlosigkeit und Stress sind mittlerweile auch in der Hundewelt ein diskutiertes Thema geworden. 

Kommen die Ruhephasen zu kurz oder fehlt dauerhaft der Schlaf, bedeutet dies enormen Stress für den Körper. Das Risiko für chronische Erkrankungen durch ein geschwächtes Immunsystem steigt. Je höher also der Stress, desto stärker werden Stresshormone wie Cortisol ausgeschüttet.

Aber auch sogenannte Fresszellen und Botenstoffe werden vermehrt produziert. Diese Zytokine wirken antibakteriell und schützen den Organismus eigentlich vor potenziellen Krankheitserregern. Sind sie jedoch dauerhaft (und in Überzahl) im Körper, dünnen sie die schützende und harmlose Mikroflora der Schleimhäute in Darm und Mundhöhle aus und machen diese anfällig für andere Erreger. Schwere, teils auch chronische Erkrankungen wie etwa Allergien oder Unverträglichkeiten können sich dadurch entwickeln.

Eine dauerhafte Störung der Balance macht das einfache Hinlegen und Abschalten kaum noch möglich oder findet in einem übermäßigen Schlafbedürfnis statt. Der Körper kann einfach nicht mehr. Hunde, die darunter leiden, entwickeln häufig Ticks – von Auffälligkeiten im Verhalten bis hin zu Aggressionen oder sogar Selbstverstümmelung.

Die Symptome sind nicht immer eindeutig. Einige Hunde machen sich irgendwann gar nicht mehr bemerkbar und ein Laie denkt, alles sei in Ordnung. Oft leiden sie aber still und leise!

Wie kann ich meinen Hund dabei unterstützen, abzuschalten?

Ganz einfach: Nichts tun! Und sich dabei einmal selbst disziplinieren und genau hinschauen, wann braucht mein Vierbeiner wirklich meine Aufmerksamkeit und Beschäftigung:

  • Wie häufig spreche ich meinen  Hund an?
  • Wie oft schaue ich ihn an? Oder  berühre ihn?
  • Wie oft fordere ich zu etwas auf?
  • Wie oft kümmere ich mich um seine Belange?
  • Kann ich überhaupt ignorieren, ohne dass er ständig kommt?

Mit diesen Fragen lässt sich eine Dynamik oder das Muster dahinter erkennen. Oftmals sind wir das eigentliche Problem, das den Hund ganz langsam an das Hochfahren gewöhnt. Zum Beispiel durch ein Triggerwort, das sich über die Zeit verselbstständigte. Genauso gut wirken etwa Schlüssel nehmen, Jacke anziehen, Halsband holen. Diese Trigger wieder abzubauen, ist schwierig und verlangt viel Konsequenz und das Beobachten der eigenen Person. Ein Tagebuch kann behilflich sein, einen Überblick zu bekommen und dem ganzen Alltag eine Struktur zu geben. Ziemlich klar lassen sich hier kleine Stolperfallen aufdecken. Oder Deckentraining in Verbindung mit dem festen Schlafplatz. Hierfür ist immer eine bestimmte Decke dabei. Sie ist ein fester Marker für Ruhe, Entspannung, Sicherheit und bestenfalls Schlaf. Auch ein Tuch, welches dem Hund umgebunden wird, kann diese Wirkung haben. Wichtig ist, dass solche Hilfsmittel auch nur dafür stehen und nicht aus dem Kontext gerissen werden.

Denn oft ist es mein Verhalten, welches wiederum zu einem auffälligen Verhalten bei meinem Hund führt. Frühes Üben lohnt sich, doch gehört es eigentlich zum ganz normalen Verhaltensrepertoire unserer Vierbeiner. Bei bestimmten Vierbeinern – individuell nach Rasse, Veranlagung oder Persönlichkeit – zeigen sich schnell Erfolge, bei anderen wiederum dauert es länger. Und ja, es gibt natürlich auch Hunde, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen.

Beim Schlafen ist nicht nur die Quantität wichtig, sondern auch die Qualität. 

Wie bei uns Menschen besteht der Schlafzyklus eines Hundes aus zwei Phasen: leichter Schlaf und Tiefschlaf (Rapid Eye Movement oder REM-Schlaf). Während des REM-Schlafes verarbeiten Hunde die Ereignisse ihres Tages. Ein erholsamer Tiefschlaf stellt sich allerdings nur dann ein, wenn der Vierbeiner völlig entspannt ist. Das lässt sich mitunter an den verschiedenen Schlafpositionen ablesen: schläft der Hund auf der Seite mit ausgestreckten Beinen, ist sein Körper völlig entspannt und er genießt einen gesunden Schlaf. Auf dem Rücken liegend ist er sogar noch ruhiger und sorgloser. Schläft ein Hund auf dem Bauch oder zusammengerollt, ist die Schlafposition defensiver. Die Muskeln sind angespannter und der Schlaf wesentlich leichter.

Der Schlafzyklus eines Hundes ist kürzer als der menschliche und dauert etwa 20 Minuten. Das bedeutet, dass sie nach nur einem kurzen Nickerchen gut ausgeruht sind. Hunde verbringen auch weniger Zeit im REM-Schlaf und benötigen daher eine größere Anzahl von Nickerchen, um die gleiche Verarbeitungszeit zu erhalten.

Entspannung lässt sich überall und gemeinsam üben – ob zu Hause, im Büro oder unterwegs. Einfach hinsetzen,  um nur sich und die Umgebung achtsam wahrzunehmen. 
  • Routine schafft Sicherheit und sorgt für Entspannung!
  • Ein fester Schlafplatz zu Hause als auch im  Büro
  • Struktur im Alltag durch feste Ruhezeiten 
  • Rückzugsorte ohne  Aufregung und andere Hunde im Visier zu haben
  • Den Hund immer mal wieder ignorieren, nicht jede Aufforderung kommentieren (mit Stimme oder Streicheln)

Auch Hunde träumen – mitunter sehr intensiv, um Reize und emotionale Erfahrungen zu verarbeiten. Sie kämpfen, fliehen, jagen, verteidigen, bewachen. Dabei flackern die Augen unter den Lidern, die Pfoten zucken und ein leichtes Winseln oder sogar Bellen begleitet den Schlaf.

Funktionsbiologisch ist Stress überlebensnotwendig und erhöht die Aufmerksamkeit sowie Leistungsfähigkeit.

Die Ursachen für Stress sind genauso vielfältig, wie die Art und Weise, in der sich Stress beim Hund äußern kann. Wie ein Hund, den Alltag im Büro empfindet, ist sehr individuell und ist auch von dem jeweiligen Umfeld abhängig. Manche Hunde ziehen sich zurück, schlafen viel mehr oder sie schauen öfters zur Seite und haben dabei große Augen oder stellen die Ohren flach nach hinten.

Das sind erste Hinweise auf Stress, die auf den ersten Blick nicht gleich offensichtlich sind. Denn die Nuancen sind sehr fein und wir müssen lernen, unseren Hund zu lesen

  • Ganzjähriger Fellverlust
  • Schuppen
  • Stumpfes Fell
  • Körper – und / oder Maulgeruch
  • Flatulenz
  • Verstopfung und Durchfallerscheinungen
  • Abmagerung (Auszehrung) trotz ausreichender / erhöhter Kalorienzufuhr

Das sogenannte Deprivationssyndrom ist auch eines dieser Anzeichen. Es lässt den Hund aufgrund des Stresses nicht mehr schlafen. Das zeigt sich daran, wenn zum Beispiel der Hund zur üblichen Spaziergangszeit kaum reagiert und eigentlich weiterschlafen möchte. Oder er reagiert sehr behäbig. Allerdings ist es nicht so, dass vermehrtes Schlafen gleich automatisch ein Anzeichen für Stress ist. Es zeigen sich immer mehrere Symptome, sodass sich ein Unterschied erkennbar lässt. 

Chronischer Stress ist eine permanente Belastungssituation.

In dieser Situation findet der Körper überhaupt keine Erholung mehr. Bei Stress werden eigentlich unterbewusst sogenannte Coping-Strategien (Bewältigungsstrategien) abgerufen, um mit dem Stress sinnvoll umzugehen. Fallen diese aus, sind sie gar nicht erst entwickelt und der Hund kommt somit gar nicht erst aus dieser Stresssituation heraus, entsteht chronischer Stress. Neben einer erhöhten Anfälligkeit für Infekte reduziert der Körper den Energieverbrauch. Dadurch wird der Hund lethargisch, sogar fast depressiv. Es kommt also zu einer Erschöpfung mit einem gestörten Schlafrhythmus. Es kann kaum noch Freude empfunden werden und die Belohnung wird gar nicht mehr als positiv erlebt, wenn man versucht, den Hund da irgendwo rauszuholen. Im schlimmsten Fall schaltet der Körper tatsächlich ab. Einen klassischen Burn out gibt es tatsächlich auch beim Hund!

Wie lassen sich Stresssymptome lindern oder noch besser vorbeugen?

Zuerst muss der Vierbeiner aus der betreffenden Situation herausgenommen werden. Und dann beginnt die Suche nach den möglichen Ursachen: Reagiert der Hund zum Beispiel auf ein ganz bestimmtes Geräusch, wie das Klingeln des Telefons, sollte versucht werden, den Hund an dieses zu gewöhnen und ganz langsam eine Habituation aufzubauen. Diesen Stressauslöser darf der Hund allerdings außerhalb des Trainings nicht erleben. Mit positiver Verstärkung muss der Vierbeiner an diesen Auslöser gewöhnt werden. Ist etwa sehr viel Personenverkehr die Ursache, müsste versucht werden, Menschen positiver zu belegen. Je nach Problem müsste man sich dauerhaft damit beschäftigen.

Das Vorbeugen lässt sich relativ gut mit dem Aufstellen von Regeln im Umgang mit dem Hund umsetzen. Die dann wiederum aber auch eingehalten werden müssen. 

  • Nicht Anfassen, wenn der Hund in seiner Ruhezone ist. Dafür muss auch  die Ruhezone definiert werden. Ist das zum Beispiel das Büro, in welchem sich  der Hund tagsüber aufhält oder ist es nur das Körbchen?
  • Nur Anfassen nach vorheriger Ansprache. So weiß der Hund, dass etwas  passiert – das setzt natürlich voraus, dass vorher abgeklärt ist, ob der Hund generell von anderen Menschen angefasst werden darf, wenn er sich im Büro aufhält  oder ist der Hund vom Typ her eher jemand, der das nicht mag.
  • Ein moderater Geräuschpegel.
  • Visualisierungen von Stresssymptomen zeigen dem Team im Büro, wie Stresssignale von Hunden aussehen.
Es kann aber auch immer sein, dass sich ein Problem nicht ganzheitlich beheben lässt und  Alternativen gesucht werden müssen. Schlechter Schlaf kann auch eine körperliche Ursache haben, wie Schlafapnoe. Dies tritt in der Regel bei Hunden mit kurzen Schnauzen auf. Schläft der Hund weniger häufig und unruhiger schläft? Die Aktivitäten, Appetit, Kot und auch das Fell sollten gut im Auge behalten und im Zweifel tierärztlicher Rat eingeholt werden.

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Die gesunde Balance von Aktivität und Schlaf ist sehr individuell. Viele Tiere überschätzen sich und fordern nicht genügend Ruhezeit für sich ein. Dieses Verhalten lässt sich gut mit kleinen Kindern vergleichen, die sich trotz roter Ohren und zufallenden Augen die offensichtliche Müdigkeit nicht eingestehen wollen.

Die Verantwortung liegt also bei uns Hundemenschen für ausreichend Erholung und Ruhe zu sorgen. Aber können sie jemals zu viel Schlaf bekommen? Schläft ein Hund überdurchschnittlich viel, könnte dies tatsächlich auf ein emotionales oder körperliches Problem hinweisen. Zum Beispiel aus Langeweile oder Depression – sie wissen dann einfach nicht, was sie sonst tun sollen. Übermäßiger Schlaf kann daher ebenso auf mangelnde Aufmerksamkeit oder Aktivität zurückzuführen sein. Aber auch körperliche Ursachen sollten nicht ausgeschlossen werden. Daher gilt wie immer: Im Zweifel tierärztlich untersuchen lassen.

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