Hunde in der Assistenz und als Therapieunterstützung

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ie heben Sachen auf, öffnen Schubladen, führen souverän durch Menschenmengen und verhindern sogar Panikattacken. Manche Hunde erfüllen richtige Aufgaben. Seit dem ersten Einsatz in der Blindenführung sind in den letzten Jahrzehnten noch weitere Einsatzbereiche in der Assistenz dazugekommen. Die Beziehung von Assistenzhunden und ihren Menschen ist dementsprechend sehr eng. Denn was der menschliche Partner nicht kann, übernimmt der Hund.

Hunde als Assistenz oder in der Therapie werden immer populärer.

Tiere haben sich für den Menschen längst als eine Art Therapeut etabliert. Vor allem die Biophilieforschung hat sich damit intensiv beschäftigt und heilende Wirkungsfaktoren dieser Beziehungsformen nachweisen können. Denn das Kommunikationsverhalten eines Tieres ist immer eindeutig. Es gibt keine Deutungsmöglichkeiten, sondern klare, analog ausgerichtete Informationen  in unserer sozialen Gesellschaft der digitalen, nicht direkten Kontakte und Informationsweitergabe ist das sehr wertvoll. Durch die tiefliegende Seelenverwandtschaft zueinander und durch sein Sosein ist das Tier geradezu prädestiniert, uns genau in diesem Bereich zu unterstützen. Das Tier kann Einsamkeitsgefühle stoppen, demenzkranken Menschen neue Lebensqualität schenken und verhaltensauffälligen Kindern helfen, Vertrauen aufzubauen, Verantwortung zu übernehmen. 

In der tiergestützten Therapie ist die fachliche Expertise, also ausgebildete Therapierende Voraussetzung. Das unterstützende Tier ersetzt natürlich nicht die Therapierenden, prägt jedoch den Verlauf einer Therapie maßgeblich und treibt im Sinne eines Katalysators die Heilung der Symptomatik oder auch Störung voran.

Allerdings ist der Alltag für Assistenznehmer und ihre vierbeinigen Gefährten teilweise alles andere als einfach.

Das Recht der Mitnahme eines Assistenzhundes ist in Deutschland noch nicht eindeutig juristisch geklärt und geht oft mit permanenten Erklärungen einher. So steht das Hausrecht allem Anschein nach im Widerspruch zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Wird die Mitnahme eines Blindenführhundes also verboten, ist dies eine unzulässige Diskriminierung und zieht Ansprüche für Unterlassung und Schadensersatz nach sich. Und was für Blindenführhunde gilt, muss auf alle Bereiche der Assistenz übertragen werden.

„Eine psychische Erkrankung ist oftmals auf den ersten Blick nicht erkennbar und fällt deswegen oft weniger ins Gewicht.“

Eine chronische Depression und eine mögliche Form des Asperger Syndroms begleiten Friederike (Name auf Wunsch geändert) durch ihren Alltag. Ihr Assistenzhund Anton ist eine große Stütze, darf sie aber offiziell nicht mit zu ihrer Arbeit an einer Universität im Land Brandenburg begleiten.

„Mein Hund Anton ist in vielerlei Hinsicht eine große Hilfe für mich. Mit ihm kann ich das ganze Geschehen viel besser kompensieren. Wenn er dabei ist, fühle ich mich sicher und auch in gewisser Weise stabil. Als eine Art Schutzschild, ist er nämlich in der Lage, bestimmte Situationen zu entschärfen. Im ersten Kontakt mit Studenten fängt er viele Dinge ab und lockert die Situation auf.“

Die Realität sieht allerdings oft ganz anders aus: Es gibt zwar viele kleine Gesetze, die eine Diskriminierung aufgrund des Hilfsmittels Hund verbieten. Aber was ein Assistenzhund überhaupt ausmacht, ist rechtlich in Deutschland nicht festgelegt. Ebenso herausfordernd ist die Finanzierung eines solchen Hundes. Denn bislang werden ausschließlich Blindenführhunde von den hiesigen Krankenkassen übernommen. Alle anderen müssen ihre Kosten entweder privat oder durch Spenden abdecken. Alternativ beteiligen sich auch spezielle Fonds bis zu einem bestimmten Betrag an den Unterhaltskosten.

Einen Assistenzhund kann sich dennoch nicht jede Person zulegen. Für einen etwaigen Anspruch muss entweder ein Schwerbehindertenausweis oder ein fachärztliches Attest vorliegen.

Ein Assistenzhund arbeitet für eine Person – für seinen Menschen. Ein Therapiebegleithund hingegen arbeitet gemeinsam mit seinem Bezugsmenschen für andere Personen oder an anderen Personen. Das können neben Einzelpersonen auch jeweils Gruppen sein. Der Assistenzhund wird in drei Untergruppen unterschieden: der Blindenführhund, der Servicehund und der Signalhund. Blindenführhund ist sicherlich geläufig. Signalhunde sind Assistenzhunde für Menschen mit einer chronischen Beeinträchtigung, aber auch Menschen mit beeinträchtigtem Gehör. Klingelt es etwa an der Tür, zeigt der Assistenzhund das Signal an. Oder auch Hunde für Autisten zählen zu den Signalhunden, ebenso Hunde für Diabetiker, Epileptiker oder auch Allergiker. Und Servicehunde sind generell für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen aktiv.

Der Alltag von LAURA GENTILE aus Kärnten ist von  ihrer Muskeldystrophie geprägt. Sie studiert Medienwissenschaften, arbeitet parallel als Hundetrainerin und an ihrem persönlichen Traum „Die Welt verändern und mehr Respekt schaffen.“ Immer mit dabei – ihre Assistenzhündin Lychee:

Eignen sich generell alle Hunde für diese Aufgaben?

Seitens der Berufsverbände gibt es hierzu keine Vorgaben. Das Wichtigste ist, dass sich das jeweilige zum Einsatz kommende Tier unter Wahrung der Tierschutzrichtlinien friedfertig im Kontaktverhalten zeigt, sich bei Bedarf zurückziehen kann und den sozialen kommunikativen Kontakt zum Gegenüber frei mitgestalten kann.

Allerdings gibt es bestimmte Ausschlusskriterien: Ein Assistenzhund darf gegenüber anderen Menschen nicht aggressiv reagieren. Er sollte auch nicht auf jedes Geräusch mit Bellen reagieren. Das lässt sich mit der Zeit auch lernen. Im Endeffekt eignet sich jede Rasse – ebenso Mischlinge. Es gilt eigentlich nur herauszufinden, ob der Hund überhaupt arbeiten will. Und wenn ja: Möchte der Hund eher eigenständig arbeiten? Dann wäre der Hund möglicherweise als Blindenführung geeignet. Oder ist es ein Hund, der heute mal Lust hat und morgen eher nicht. Die einzelnen Zeichen des Hundes sollten ganz genau betrachtet werden.

„Wir haben einen Welpentest gemacht, als Lychee sechs Wochen alt war. Den muss man nicht machen. Aber wir wollten sehen, wie sie auf ungewohnte Umgebungen reagiert – also im Haus in einem Raum, in welchem sie noch nie war. Ebenso bei lauten Geräuschen oder wenn sie auf einem Tisch steht. Geht sie auf Entdeckungstour, hat sie eher Angst beziehungsweise macht sie gar nichts mehr. Oder nimmt sie Sachen auf, wenn man ihr was runterwirft. Denn später sollte sie ja auch apportieren. Jeder Hund muss individuell angeschaut werden“, erzählt Laura Gentile, Assistenznehmerin aus Kärnten. „Hierbei ist auch die Gesundheit wichtig, denn ohne die geht es nicht. Erst mit circa 15 bis 17 Monaten lässt sich sicher feststellen, ob sich der Hund eignet oder nicht. Da lebt dieser schon recht lange im Haushalt und ist in der Ausbildung. Es gibt viele Menschen, die ihren Hund dann trotzdem weiter ausbilden, was ich als relativ unvernünftig empfinde. Denn wie lässt sich gewährleisten, dass der Hund zuverlässig arbeitet?“

Wie zeigt ein Assistenzhund, dass er tatsächlich Spaß bei seinen Aufgaben hat?

„Das zeigt sich schon recht früh in der Ausbildung, wenn der Hund von sich aus Dinge anbietet. Das „Jacke ausziehen“ zum Beispiel war ein Impuls von Lychee. Wahrscheinlich aus Spiellaune heraus hat sie an meiner Jacke gezogen. Ich habe das dann belohnt und unter Signalkontrolle gesetzt. Offensichtlich wird es auch, wenn die eigentliche Arbeit beendet ist, wie etwa einen Stift aufheben, aber der Hund gerne noch etwas tun möchte. Bei Lychee ist das Tricksen wie Pfote geben oder Assistenzaufgaben machen immer mit Spaß verbunden. Ich merke da keinen Unterschied. Sie freut sich einfach, sich zu bewegen und ist gerne bei mir. Klar, gibt es auch Momente, in denen sie lieber ihre Ruhe hat. Diese lasse ich ihr natürlich auch. Wie jetzt bei den heißen Temperaturen und wo sie lieber im Bad auf den kühlen Fliesen liegt. Ich weiß, wenn irgendwas ist, dann kommt sie.“

Jeder Alltag ist individuell. Was bedeutet dies für die Assistenznehmenden?

„Zuallererst ist Liebe und eine respektvolle Einstellung gegenüber Hunden die Basis. Denn ein Hund ist keine Maschine und funktioniert nicht zu 100 Prozent. Er kann mal krank sein oder einen schlechten Tag haben – ganz individuelle Bedürfnisse eben. Wenn man selbst nicht dafür sorgen kann, dass der Hund regelmäßig Freizeit mit viel Schnüffeln oder Sozialkontakten zu anderen Hunden haben kann, gibt es in Österreich die Vorgabe, dass eine Triade gebildet werden muss. Diese Vorgabe gibt es ebenso für Minderjährige. Es ist dann also kein klassisches Hund-Mensch-Team – also 1:1 – sondern eine weitere Person kümmert sich um das Füttern oder auch die Freizeit. Häufig gibt es solche Triaden bei autistischen Menschen, insbesondere bei Kindern. Du wirst keinen guten Assistenzhund haben, wenn du ihm nicht die Bedürfnisse erfüllst, die er individuell für sich braucht. Lychee spielte eine Zeit lang total gerne Ball. Das haben wir dann sehr oft vor dem Dienst gemacht. Und das zahlt ja auch wiederum auf die Bindung ein, die du brauchst. Ansonsten muss man viel Geduld mitbringen, also nicht unbedingt für den eigenen Hund, sondern eher für die anderen Menschen. Denn der Bedarf an Aufklärung ist immens groß. Dessen muss man sich bewusst sein. Spricht man nicht gerne mit Fremden, wie das unter anderem häufig bei psychischen Erkrankungen zu sehen ist, kann das im Alltag schon schwierig werden.“

Wann sollte ein Hund aus der Assistenz entlassen werden? 
„In erster Linie sind gesundheitliche Einschränkungen unbedingt zu beachten. Viele Hunde, die sich noch in Ausbildung befinden, eignen sich oft gar nicht als Assistenzhund. Dies wird dann bei den verpflichtenden Gesundheitsuntersuchungen beachtet. Es ist für den Hund einfach nicht zumutbar, auch wenn er noch keine Schmerzen hat, dass er mit einer HD, ED oder auch schlechtem Gehör arbeitet. Andere Grenzen können im Alltag liegen, wenn es zum Beispiel draußen sehr heiß oder kalt ist. Als kleiner Hund steckt Lychee die Wärme in den Sommermonaten ganz gut weg. Sie begleitet mich sehr häufig. Mit ihrer kleinen Größe kann ich sie im Fall der Fälle auch gut tragen. Steht allerdings noch ein Einkauf an und ich brauche sie dabei, gehe ich eben morgens oder am Abend, wenn die Temperaturen entsprechend kühler sind. Auch ein Assistenzhund ist ein normaler Hund und muss nicht damit umgehen, dass es draußen so warm ist.

Oft gehen Assistenzhunde bereits mit circa acht Jahren in den Ruhestand. Es kann aber auch sein, dass ein Hund keine Probleme zeigt beziehungsweise verlässlich arbeitet und ihm die Arbeit sehr lange Spaß macht. Dann spricht überhaupt nichts dagegen, ihn entsprechend länger einzusetzen. Ich kenne auch Menschen, die sich einen neuen Assistenzhund geholt haben und der Pensionär quasi dort weiterhin wohnt. Teilweise werden sie sogar dort, wo es noch geht, eingesetzt, weil die Hunde dieses Bedürfnis auch anzeigen. Bei kleinen Hunden kann es schon sein, dass sie noch viel länger arbeiten. Aber es ist immer individuell und lässt sich nicht wirklich auf Größe, Geschlecht oder Rasse runterbrechen. Es kann sicherlich auch Fälle geben, in denen der Hund mit fünf Jahren aus dem Dienst genommen wird, weil er vielleicht einen Unfall hatte.“

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