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International Coworking Day – Mit Hund im Coworking Space

Sie teilen sich Büro, Küche und Besprechungsräume, kommen beim Kaffee kochen oder auf den Community Events ins Plaudern, tauschen Ideen und Erfahrungen aus. Manchmal ergeben sich sogar gemeinsame Projekte und Freundschaften entstehen. Coworking steht für New Work und spiegelt den Kulturwandel zur Work-Life-Integration. Doch finden auch Hunde hier ihren Platz?

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Heute am 9. August ist der International Coworking Day. Was 2005 in San Francisco mit der Eröffnung des ersten Coworking Spaces durch Brad Neuberg begann, hat sich weltweit zu einem Boom entwickelt: Ein Kulturwandel zieht sich durch die Arbeitswelt – von der Work-Life-Balance, wie wir sie kennen, zur Work-Life-Integration. Das Wo und mit wem rückt eindeutig in den Fokus. Für viele geht es nicht mehr primär darum, mit jemandem an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten. Allein das Gemeinschaftsgefühl, ausgelöst durch das Teilen des Schreibtischs mit Gleichgesinnten, steigert die Produktivität und Kreativität. Ganz organisch ergeben sich Synergien, wenn sich die Member austauschen, inspirieren oder auf interessante Kontakte verweisen. Vor allem Werte wie Flexibilität und Freiheit locken in die Coworking Spaces, um den Arbeitsalltag so freibestimmt wie möglich zu gestalten.

„Und tatsächlich gibt es bereits einige Unternehmen, die nahezu ortsungebunden arbeiten. Die Mitarbeitenden können sich mit einem festen monatlichen Budget in den gewünschten Arbeitsplätzen einmieten, unter der Prämisse, für Meetings, Calls und Abstimmungen erreichbar zu sein“, berichtet Katy Zühlke (Community Managerin im Berliner St.Oberholz) bereits 2019 in einem Interview für unser Bürohunde-Buch. 

Und dazu gehört ebenfalls, den eigenen Hund mitzunehmen.

Was ist den Membern besonders wichtig?

Vor fünf Jahren gab es noch diesen klassischen Stereotypen – hippe Designer, mit ihren MacBooks, das typische Klischee oder die ambitionierten Startups, die gerade den ersten Pitch für sich entscheiden und sich eine Finanzierung sichern konnten. So ist es eigentlich gar nicht mehr. Zu uns kommen heute viele Medienschaffenden, als auch Startups und Corporates aus unterschiedlichen Branchen. Sogar eine Krebsforscherin zählt zu unserer Community. Rund um ein sehr vielfältiges und internationales Publikum. Ein typisches Beispiel ist das Team einer brasilianischen Bank. In unserem Space arbeiten nun die Developer und Coder, weil die Bank in Sao Paulo Probleme hatte, die passenden Talente zu finden. Es gab zwar genügend Interessierte, allerdings wollte niemand in Sao Paulo arbeiten. Als Konsequenz hat diese Bank hier in Berlin einen Teamraum angemietet und freigestellt, entweder nach Deutschland auszuwandern und hier zu arbeiten oder eben in Sao Paulo zu bleiben. Das restliche Team wurde nach und nach in Berlin eingestellt, kommt aber aus der ganzen Welt.

Den klassischen Coworker gibt also einfach nicht mehr. Viele unserer Member sind zwischen 30 und 45 Jahre alt. Sie kennen das klassische Berufsleben, machen sich nun auf dem Weg in die Selbstständigkeit oder arbeiten festangestellt, beanspruchen aber für sich eine flexible Arbeitsortwahl. Viel hat mit dem Wandel von der Work-Life-Balance zur Work-Life-Integration zu tun. Immer mehr Menschen werden sich dessen bewusst und wählen danach auch ihren Arbeitsort aus beziehungsweise entscheiden sich für oder gegen Jobs. 

Für mich persönlich war es zum Beispiel eine Voraussetzung, dass mich mein Hund Tüddel begleiten darf. Wäre dies nicht möglich gewesen, hätte ich abgelehnt. Die Entscheidung für einen Hund fällt ja bewusst und für mich kam nicht in Frage, sie acht Stunden am Tag allein zu Hause lassen. Und sind wir mal ehrlich, wer von uns arbeitet täglich nur acht Stunden?  Und wenn sie mich den ganzen Tag begleitet hat, ist sie optimal ausgelastet und ich weiß auch, womit sie beschäftigt war. 

Die Nachfrage ist riesig. Auch wenn es den Anschein erweckt, dass nur in Berlin mit der starken Tech- und Startup-Szene die Coworking Spaces boomen, sieht die eigentliche Realität ganz anders aus. In allen großen und fast allen größeren Städten sind Coworking Communities verschiedener Arten zu finden, auch wenn diese mitunter auch sehr klein sein können. Allein in München haben wir bereits drei Mindspace Offices eröffnet. Unsere internationalen Mitglieder kommen aus ziemlich unterschiedlichen Bereichen, wie etwa Architektur, Design, Projektmanagement oder kleinere Unternehmen aus anderen Branchen.

*Didi Kerkhofs, Community Management Mindspace Berlin

Was suchen Coworker in der Community?

Fangen wir mal bei den Freelancern an: Da gibt es zum Beispiel die Überfleißigen. Sie wachen morgens um halb 7 auf, holen sich den Laptop mit ins Bett und checken schon die ersten Mails, um ihren Tag zu planen. Später am Vormittag haben sie sich durch alle Mails gekämpft, dabei parallel fünf Excel-Tabellen geöffnet und ein paar Aufgaben angeschoben. In diesem Arbeitssog können sie sich meist schlecht befreien, macht also nicht richtig Feierabend. Der Laptop steht ja immer bereit  und man könnte ja nochmal kurz… Das ist das eine Extrem – die Freelancer können gar nicht mehr aufhören, zu arbeiten, weil die Arbeit so nah an ihnen dran ist und auch keine räumliche Trennung gegeben ist. Zwar ist immer noch Spaß dabei, aber eben auch ein starkes Gefühl der Verpflichtung.

Dann gibt es noch Freelancer, für die eine optimale Organisation herausfordernd ist. Anstatt morgens um 9.00 Uhr angezogen am Schreibtisch zu sitzen, wird es mitunter erst halb 11. Dann erst einmal saugen, abwaschen und sich anderweitig ablenken, nicht zuletzt um sich erst einmal die optimale Arbeitsatmosphäre zu Hause zu schaffen. 

Beides ist ziemlich überspitzt dargestellt, zeigt aber eine Gemeinsamkeit: Durch die große Freiheit, die sie haben, dass sie ortsunabhängig arbeiten können, fehlt ihnen auf der anderen Seite das notwendige soziale Geflecht. Sie können zwar über verschiedene Devices kommunizieren, dennoch es ist schon etwas anderes, jemanden real gegenüberzusitzen. Viele Freelancer haben heute kein Team mehr. Also gehen sie in einen Coworking Space, um das Gefühl zu bekommen. 

Waren Hunde im Coworking-Space von Anfang an Thema?

Als Café und damit öffentlicher Raum sind bei uns Hunde generell erlaubt. Und somit ist auch Allergikern bewusst, dass hier Hunde anwesend sein (können). Angst vor den Vierbeinern ist natürlich auch ein Thema, dass wir auch sehr ernst nehmen. Solche Ängste sucht sich niemand aus und dementsprechend muss man dies akzeptieren und versuchen, für alle Beteiligten eine gute Lösung zu finden. So wie neulich: Ein Member lässt sich regelmäßig von seinem mittlerweile sehr betagten Hund begleiten. Er ist groß und auch noch schwarz. Als jemand in direkter Nähe ein Lunchpaket auspackte und es auch noch so vielversprechend knisterte, wurde auch der Senior neugierig. Dass der Hund nun so offensichtlich auf ihn zuging, jagte dem Gegenüber einen gehörigen Schrecken ein, obwohl eigentlich nichts passiert ist.

In solchen Fällen unterstützen wir als Community Manager. Wir erklären also dem Einen, warum der Hund auf ihn zugekommen ist und bitten den Halter, seinen Hund an die Leine zu nehmen und noch aufmerksamer auf solche Situationen zu achten.

Direkte Kommunikation und Aufklärung sind sehr wichtig, um gegenseitiges Verständnis zu schaffen. 

Wenn sich neue Mitglieder bei uns anmelden, unterschreiben sie am Anfang auch eine Vereinbarung über den Umgang mit Hunden innerhalb der Community. Die Regeln sind zwar übersichtlich, aber dennoch wichtig, dauerhaft ein entspanntes Zusammenarbeiten möglich zu machen. Denn nicht jeder Mensch fühlt sich wohl, wenn ein Hund zu nahekommt. Und auf der anderen Seite stimmt auch nicht immer die Chemie zwischen den Hunden selbst. Oder sie verstehen sich so gut, dass sie ständig in Spiellaune sind. Das kann insbesondere die Arbeit an den Open Desks erheblich stören.

Daher sind Hunde in den Community Bereichen an der Leine zu führen und dürfen auch nicht auf die Sitzmöbel. Da die Hundehaftpflicht hier in Berlin zu den Pflichtversicherungen gehört, gehen wir davon aus, dass die Hunde, die zu uns kommen, auch eine haben. Da vertrauen wir unseren Mitgliedern. Ebenso wenn der Hund eventuell krank ist. Wir glauben, dass die Member gut und verantwortungsvoll einschätzen, ob ein Kontakt hier mit anderen Hunden oder Menschen zu vertreten ist. Aber auch deshalb ist die Leinenpflicht in den Community Bereichen angebracht, um vorausschauend den Kontakt zu minimieren. 

Welche positiven Effekte durch Hunde nehmt ihr in der Community wahr?

Tiere verbinden. Ist ein Hund in der Nähe, nimmt das eine gewisse Spannung aus dem Raum. Davon profitiert jeder, insbesondere dann wenn der Vierbeiner aufgeschlossen und freundlich kommuniziert. Automatisch kommt man so ins Gespräch: Wie heißt der Hund? Wie alt ist er oder sie? Was ist das für eine Rasse? Ist das dein erster Hund? Untereinander kommen Hundemenschen immer als erstes ins Gespräch und vernetzen sich. Ich selbst habe in meinem Team die besten Hundesitter gefunden. Gerne werden mit einem Augenzwinkern meine Dienstreisen auch mal etwas zeitlich gestreckt gelegt oder die Reisetickets so gebucht, dass ich Tüddel schon eine Nacht vorher abgeben muss. Selbst diejenigen, die eigentlich gar nicht so hundeaffin sind, fragen mittlerweile, wo Tüddel gerade steckt und warum sie heute nicht dabei ist. 

Ich beobachte aber auch, dass sich Member zu gemeinsamen Hunderunden verabreden, obwohl sie gar nicht für das gleiche Unternehmen arbeiten. Hunde sind also echte Netzwerker. Da können wir selbst noch einiges lernen. 

 

Die Basis einer Community ist ja auch, dass ich grundsätzlich ebenfalls an die anderen denke und alle Eventualitäten abwäge. Nur so klappt es auch dauerhaft mit dem Bürofrieden. 

Problematische Situationen musste ich als Community Managerin bisher noch nicht regeln. Grundsätzlich achten die Halter:innen da von allein drauf. Allerdings ist es immer etwas herausfordernd, sobald ein Welpe mitkommt. In dem Alter können einfach nicht lange still liegen. Das ist auch normal. Mitunter ist es zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht der richtige Ort für den Hund. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass nicht jeder ein Verständnis oder das entsprechende Wissen hat, was es heißt, einen Welpen zu haben, wenn es zum Beispiel um Stubenreinheit oder Spielpausen geht. Wer selbst keinen Hund hat, kann sich da meistens schlecht hineinversetzen. Das muss man als Hundemensch im Hinterkopf behalten.

Im Grunde möchte jeder, dass es entspannt läuft und sich alle wohl fühlen. Nur so kann lässt es sich selbst entspannt arbeiten. Denn die eigene Anspannung überträgt sich auch wiederum auf den Hund und die Situation wird dadurch wieder verstärkt. 

Bei uns in der Community gibt es zum Beispiel auch einen Hund, der meine Tüddel überhaupt nicht mag. Wir haben schon einiges versucht, um beide Hunde aneinander zu gewöhnen und die Wogen ein wenig zu glätten. Bisher ohne Erfolg. Und da wir wiederum diese Stresssituationen für alle Beteiligten vermeiden wollen, nehme ich Tüddel dann gar nicht mit auf die Etage, wo der Member mit seinem Hund sitzt. 

Als Community Manager haben wir da auch immer ein Auge drauf. Allerdings ist ein proaktives, direktes Einschreiten auch immer eine ziemliche Gratwanderung, die Fingerspitzengefühl braucht. 

*Katy Zühlke, Community Management St. Oberholz Berlin

 

Bekommen Mitglieder mit Hund einen bestimmten Arbeitsplatz?

Unsere Mitglieder können zwischen einem Open Space Desk oder Private Offices frei wählen. Die meisten Member mit Hund entscheiden sich allerdings für ein abgeschlossenes Büro. In den Open Spaces müssen die Hunde generell an der Leine bleiben, weil hier auch die Community zusammenkommt. In den privaten Büros ist das anders. Hier kann sich der Vierbeiner frei bewegen, solange mögliche Büropartner nichts dagegen haben. Vorteil ist hier natürlich: Die Hunde haben deutlich mehr Ruhe und können sich auch zurückziehen. 

Im Vergleich zu anderen Ländern: Zeichnen sich spürbare Unterschiede ab, was Hunde im Büro angeht? 

Unterschiede sind auf jeden Fall zu erkennen. In London zum Beispiel ist es eher unüblich, seinen Hund mit zur Arbeit zu bringen. In Tel Aviv und ebenso in Berlin ist das wiederum völlig normal. Das hat viel mit den Lebensgewohnheiten zu tun und tatsächlich auch, wie sich das Stadtbild dahingehend anpasst. Vergleichen wir Berlin-Kreuzberg mit London zeigen sich schon anhand der Restaurants in den jeweiligen Umgebungen deutliche Unterschiede. Kannst du hier in Kreuzberg deinen Hund fast überall mit zum Essen nehmen, weil die Atmosphäre einfach lockerer ist, sind die Restaurants in London viel feiner und Hunde wesentlich seltener gern gesehene Gäste. 

Dieses Gespräch ist im Zuge unseres eBook Mein Kollege mit der kalten Schnauze entstanden, das unter diesem Link kostenfrei zur Verfügung steht.