Plus 1Auf einen Schnüffler mit Rudi, Seppi & Tina

Auf einen Schnüffler mit Rudi, Seppi & Tina

 

Tina, Sepp & Rudi

Tinas Liebe für französische Bulldoggen begann ganz unverhofft und vor allem überraschend – mit einem Buchtitel von Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“. Kurze Zeit später (2003) wirbelte Bully Paul den Alltag von Tina und ihrem Mann Olli ordentlich durcheinander. Den kleinen Paul haben Niko und ich leider nicht mehr kennengelernt, dafür die beiden Rabauken Sepp und Rudi. Vor allem Sepps Geschichte hat mich ziemlich beeindruckt und darum musste Tina mit ihren Jungs unbedingt bei dieser Interview-Reihe dabei sein:

Tina, stellt Euch doch mal kurz selbst vor.

Seit fast zwei Jahren machen wir als Vierer-Rudel den Friedrichshainer Südkiez unsicher – entweder mit ordentlichem Geschnaufe zu Fuß oder standesgemäß – zu größeren Abenteuern bereit – mit unserem Lastenfahrrad. Denn besonders Sepp machen mittlerweile lange Wege und heiße Sommertage ordentlich zu schaffen.

Wie ist denn Sepp zu Euch gekommen?

Wir hatten unseren kleinen Paul bereits ein paar Jahre. Aber ein Bully kommt selten allein und 2008 haben wir Sepp übers Internet bei einem Berliner Züchter entdeckt. Ich habe mich sofort in sein schönes Gesicht verliebt. Damals wohnten wir noch in Stuttgart. Aber das war egal, wir wollten Sepp unbedingt kennenlernen. So saßen wir kurze Zeit später schon im Auto Richtung Berlin.

Aber auf die Vorfreude folgte dann ziemlich schnell die Ernüchterung, oder?

Ja, in der Anzeige wurde uns Sepp als vier Monate alter Welpe verkauft. Die 300 bis 400 Euro, die der Züchter für ihn haben wollte, waren natürlich ganz schön günstig, aber waren wir einfach sehr blauäugig und auch extrem verliebt. In Berlin angekommen erlebten wir den Welpen total ängstlich, devot und vor allem irgendwie ungesund. Sepp schien keine Muskeln zu haben. Seinen Eierkopf und die eingefallenen Wangen hatte der Züchter für die Anzeigenfotos durch geschickte Posen stark geschönt. Mein erster Impuls war gegen den Kauf, aber Olli hat es einfach nicht übers Herz gebracht, den Kleinen dort zu lassen. Wir wollten ihn einfach dort rausholen, aufpäppeln und in ein liebevolles Zuhause vermitteln. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er unter den Umständen vor Ort nicht mehr lange überlebt hätte. Aber wie Du siehst, ist ja alles ganz anders gekommen.

Mit welchen Gefühlen seid Ihr wieder nach Hause gefahren?

Wir kannten den Züchter ja vorher nicht. Als wir dort ankamen, gab es dort massenhaft Tierbabies zu sehen: junge Katzen, Mopswelpen und eben die kleinen Bullies. Die Atmosphäre dort war eher bedrückend, obwohl der Züchter auf uns einen netten Eindruck machte. Aber die Körperhaltung von Sepp sprach Bände und wir können bis heute nur erahnen, was er in seinen ersten Lebensmonaten durchgemacht haben muss. Uns war auf der Rückfahrt schon klar, dass ordentlich Arbeit auf uns zukommen wird. Allerdings wurden unsere Erwartungen noch weit übertroffen.

Inwiefern hat sich Dein erster Eindruck bestätigt?

Schon die Rückfahrt nach Stuttgart war für uns alle sehr anstrengend: Ich hatte ihn die ganze Zeit auf dem Schoß – er war einfach zu ängstlich und kam einfach nicht zur Ruhe. Die nächste Ernüchterung erlebten wir dann beim Tierarzt. Sepp wurde viel älter eingeschätzt und hatte auch schon kein Milchgebiss mehr. Mit den Ergebnissen der Untersuchung haben wir den Züchter konfrontiert. Er gab dann zu, dass er Angst hatte, den mittlerweile Junghund nicht mehr loszuwerden. Sepp war nämlich vorher schon vermittelt, aber wieder zurück gebracht worden. Von sich aus bot der Züchter dann an, 300 Euro zurückzuerstatten, um mit dem Geld einen Hundepsychologen aufzusuchen. Und das war tatsächlich auch notwendig: Auch nach Tagen hatte sich Sepps Allgemeinzustand nicht wirklich veränderte und auch Paul hatte seine Probleme mit dem Familienzuwachs. Auch mit der Stubenreinheit wollte ees einfach nicht klappen. Sogar in seinem Körbchen hatte Sepp seine Geschäfte verrichtet. Und dann auch noch das ständige Weinen und Heulen. Wir waren mit unseren Nerven wirklich am Ende. Von den Gassirunden kam Olli immer sehr irritiert zurück. Sepp verhielt sich draußen einfach komisch. Warum? Das hatte uns dann der Züchter erklärt: Der kleine Hund war mit seinem halben Jahr noch nie draußen und auch nicht richtig sozialisiert worden. Selbst die Welpenschule mussten wir nach ein paar Versuchen auch erstmal auf Eis legen, denn Sepp war einfach in fast allen Situationen zu ängstlich. 

Wie hat sich Euer Alltag verändert?

Sobald ein Hund bei Dir einzieht, verändert sich Dein Alltag. Einen kranken Welpen mit nach Hause zu nehmen, bedeutet nicht nur einen immensen Zeitaufwand, sondern auch nicht einschätzbare Kosten für Tierarztbesuche und Behandlungen. Als ängstlicher Hund brauchte Sepp vor allem mehr Sorgsamkeit und Vorsicht. Wir haben viel trainiert und konnten mit Geduld einige Baustellen lösen. Aber alles ging nicht weg, dafür hatte sich in seiner Prägephase zuviel eingebrannt. Irgendwann hat Sepp zum Beispiel für sich festgestellt, dass es noch einen anderen Gang gibt als normales Traben. Du hättest ihn mal erleben müssen, als er zum ersten Mal richtig losgelaufen ist. Ein toller Moment, der aber wiederum einen Rattenschwanz mit sich zieht. Denn nun gab es für ihn kein Halten mehr. Aber wie hoch Sofas tatsächlich sind und dass sich im Boden draußen auch mal Löcher und Kanten verstecken, musste er erstmal lernen. 

Bis heute mag er keine kleinen Kinder und fasst zu fremden Menschen eher schwer Vertrauen. Wenn er allein auf einen für ihn fremden Menschen zugeht, ist das schon ein ganz besonderes Kompliment. 

Davon abgesehen mussten wir Sepp aber auch körperlich total aufpäppeln. Kaum Muskeln, schlechte Körperhaltung – so hatten wir ihn ja aus Berlin mitgenommen. Körperlich ging es ihm dann auch schnell besser – bis er sechs wurde. Plötzlich bekam er schlecht Luft und hatte insbesondere bei wärmeren Temperaturen ordentlich zu kämpfen. Durch ihn haben wir erst gesehen, was Qualzuchten bedeuten. Es gibt Monate, da sind wir Dauergast beim Tierarzt. Seine Beschwerden und Schmerzphasen steigern sich gefühlt pro Jahr und unsere Tierarzkosten landen dann gerne mal in höheren Bereichen. Von Augenentzündungen, Allergien, Atem- und Keilwirbelbeschwerden ist fast alles dabei. 

Aber es gibt ja auch die schönen Momente?

Oh ja, Sepp ist ein ganz toller Hund geworden und gibt im Rudel mit dem jüngeren Rudi den Ton an. Außerdem hat er sich zu einer echten Wasserratte entwickelt. Angefangen hat alles in unserem ersten gemeinsamen Urlaub am Gardasee. Aber auch das Wasser von oben liebt er unglaublich, ob Dusche oder der Regen draußen. Er versucht dann immer, das Wasser aufzufangen. Diese kleinen Momente zeigen uns immer, dass wir doch alles richtig gemacht haben. Denn was ist schöner, als einen glücklichen Hund zu sehen, der sich in sein Leben gekämpft hat?

Fotos: French Bully Connection