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Natur-Auszeit im XS-Format: Die Black Cabin im Oderbruch

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nd am Ende der Straße steht ein Haus am See, Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg“ – wie oft habe ich mich in den letzten Monaten nach mehr Weitblick und Tapetenwechsel gesehnt. Der neue Alltag in der Gründung und in meiner Verantwortung als Arbeitgeberin nahmen so viel Raum ein, dass für echte Auszeiten vor allem für Niko weniger Zeit blieb. Wir mussten einfach mal raus. Irgendwo in die Einsamkeit, Unberührtheit und dem Weniger.

Von einem kleinen Häuschen mitten im Nirgendwo träume ich schon lange. Mit dem Zauber der selbstgewählten Einsamkeit im Einklang mit der Natur manifestiert sich die Sehnsucht, ganz einfach und möglichst unabhängig zu leben. Denn das Weniger ist mehr. Auf die besondere Black Cabin von Nora und Christian bin ich schon vor einiger Zeit in meinem Instagram Feed aufmerksam geworden. Quasi fast ums Eck, aber immer ausgebucht. Mit etwas Glück konnte ich für Anfang September eine kleine Übernachtungslücke ergattern und musste vor der Buchung nicht lange überlegen – viel Natur, Hunde sind willkommen und die Black Cabin ist auch ohne Auto relativ gut zu erreichen. 

Wer die Ruhe außerhalb der Großstadthektik so richtig genießen möchte, wird das Oderbruch lieben.

Gut anderthalb Stunden von Berlin entfernt und nah der deutsch-polnischen Grenze ist das Oderbruch eine der am dünnsten besiedelten Regionen in Deutschlands. Vor knapp 270 Jahren wurde die Polderlandschaft trocken gelegt. Auf Initiative von Preußenkönig Friedrich II. ließen sich hier Siedelnden aus ganz Europa nieder. In einer groß angelegten Melioration entstand ein Wassersystem, das mit über 1200 Gewässerkilometern, beinahe vierzig Schöpfwerken und vielen Wehr- und Stauanlagen funktioniert. Das Oderbruch besticht durch seine landschaftliche Vielfältigkeit und wird aufgrund seines fruchtbaren Bodens auch der Gemüsegarten Berlins genannt. Wer hier ankommt, wird mit einem überraschenden Weitblick und unberührte Natur belohnt. 

Sophienthal ist ein winziges Dörfchen im Oderbruch.

Im Bruch (von bruoch, mitteldt. für Sumpf) vereinen sich die große, eigenwillige Oder mit dem Flair einer lebendigen Grenzregion. Sophienthal ist ein Ortsteil von Letschin im Landkreis Märkisch-Oderland. Früher war das Dorf ein sogenanntes Spinnerdorf, eine Heimarbeiter-Siedlung, in der sich die Menschen ihren Lebensunterhalt durch das Spinnen verdienten. 

Als wir in Berlin mit vollgepackten Taschen und Mietwagen aufbrechen, schlängelt sich bereits der Feierabendverkehr zäh über die kurvigen Landstraßen. Die Sonne steht schon relativ tief, als wir endlich in Sophiental ankommen. Das Grundstück haben wir für beide Tage komplett für uns allein. Die Pudel können es kaum erwarten, aus dem Auto direkt in das satte Grün zu springen und den weitläufigen Garten zu erkunden.

Fast meine gesamte Kindheit verbrachte ich unzählige Sommermonate in einem kleinen Gartenhaus auf dem Grundstück meiner Großeltern. Zu Dritt in der einfach ausgestatteten Laube und mit eher weniger Privatsphäre genossen wir die gemeinsame Zeit.

Als ich den Schlüssel zur Cabin im Schloss drehe und sich die Tür mit einem leisen Knarren öffnet, halte ich erwartungsvoll den Atem an: Die kleine schwarze Hütte ist ein echter Schatz – hell, mit Holz ausgearbeitet und einladend. Ein großes Kojenbett mit Stauraum in den großen Schubladen, eine kleine Kommode mit den einigen Gewürzen und Kaffeepads und das beachtliche Panoramafenster, das die gesamte Stirnseite einnimmt und beste Aussicht gewährt: auf den Garten, auf die Terrasse mit ihren Zwetschgenbäumen, das Gras, das sich sanft im Wind wiegt.

Ich lege mich aufs Bett und lasse meinen Blick durch die Wolken schweifen. So könnte ich stundenlang liegen bleiben und meinen Gedanken nachhängen. Dieser Ort ist vollkommen, in seiner Klarheit zum Ankommen, Loslassen und Naturmomente. Doch die Pudel beobachten mich ungeduldig. Es zieht sie nach draußen in den Garten – der sie mit spannenden Gerüchen, viel Raum zum Erkunden und Toben lockt. 

Den Abend lasse ich bei angenehm warmen Temperaturen auf der großzügigen Holzterrasse ausklingen. Der weite Blick über das Feld lässt mich tief durchatmen und ankommen. Irgendwo ruft ein Kuckuck, unter meinen Füßen knarzt das Holz, die Pudel rascheln neben mir durch das hohe Gras. Ich verstehe, warum sich die Menschen in diesen besonderen Ort hier verlieben. 

Kompakt und gemütlich

Die Cabin ist ein kleines, aber gemütliches Raumwunder. Klar, der Stauraum ist ziemlich begrenzt. Daher packe ich nur die Dinge aus, die ich unmittelbar wirklich brauche. Alles andere bleibt erstmal verstaut. Nora und Christian haben die Cabin wunderbar durchdacht – unter dem Kojenbett lässt sich in großen Schubladen einiges verstauen. Währenddessen beobachten die Pudel das Treiben auf dem angrenzenden Feld – einige Rehe nutzen die Dämmerung für ihre Nahrungssuche.

Duschen, Sauna und Kochen unter freiem Himmel

Der Aufenthalt in der Black Cabin findet vorrangig draußen statt. Zum Verweilen laden neben der Sauna vor allem die Terrasse samt Außenküche und Holzbackofen ein. Mit Blick in den Garten und über das Feld macht das Kochen und Zubereiten gleich viel mehr Spaß! Ein paar Tomaten und Kräuter ernte ich direkt im Garten. Genascht wird direkt von den Zwetschgenbäumen an der Terrasse. Und für das ultimative Outdoor-Feeling: die Außendusche mit Warmwasser bis in den Herbst hinein.

Gediegen ist auch der Preis: 109 Euro kostet die Übernachtung pro Nacht – nicht gerade wenig.

Aber sie ist es wert, denke ich mir, als ich am ersten Morgen aufwache und durch die zart beschlagene Scheibe über das Feld zum Waldrand schaue, der dem Morgendunst entsteigt. Mit einem Kaffee in der Hand gehe ich raus auf die Terrasse und beobachte umhüllt von klarer Morgenluft, wie sich die Bäume behutsam aus dem Zwielicht schälen und die Rehe friedlich grasen. 

Könnte ich immer so leben?

Es werden herrliche zwei Tage mit ausgedehnten Spaziergängen über den Deich, sitzen auf der sonnenbeschienenen Terrasse, lesen und schweigen. Der am Abend aufkommende Regen trommelt gleichmäßig auf das Dach und wiegt uns sanft in den Schlaf. 

Ich frage mich, ob ich dauerhaft so leben könnte. Auf so wenig Platz. Bin ich mir wirklich genug? Und ab wann würde ich mich einsam fühlen? 

Black Cabin
Oderstr. 34
15324 Letschin OT Sophiental

Geruhsames Dorfleben, Entschleunigung und nette Nachbarschaftsgespräche: Die Black Cabin macht die Rückkehr in die Großstadt nicht so einfach. Neben viel Natur gibt es auch ein kleines Angebot an Kultur, Cafés und Restaurants zu entdecken. 

Gut zu Wissen

Wer sich in die Black Cabin einquartieren möchte, sollte schnell sein! Oft ist sie schon lange im Voraus ausgebucht. Von November bis April bleibt sie im Winterschlaf.

Anreise

Mit der Regionalbahn von Berlin-Lichtenberg geht es bis nach Küstrin-Kietz. Auf dem Oder-Neiße-Radweg direkt am Wasser entlang lassen sich die letzten 15 Kilometer zur Black Cabin ganz bequem mit dem Rad zurücklegen. Alternativ fährt ab Seelow-Gusow ein Bus nach Sophiental und fast vor die Haustür der Black Cabin.

„Die Sonne blendet, alles fliegt vorbeiUnd die Welt hinter mir wird langsam kleinDoch die Welt vor mir ist für mich gemacht,Ich weiß, sie wartet und ich hol sie ab“